31.1.05

Hier könnten Tiger herumlaufen

Ich kriege den Stoff für die nächste Prüfung nicht in den Kopf, weil sich immer wieder der Roman vordrängelt. Wie soll ich den 31.01.2005 leben, wenn ich fortlaufend an den 22.06.1348 denke? An diesem Tag werden die Bürgermeister in Basel gewählt. An diesem Tag, früh, die Sonne ist noch nicht aufgegangen, steigt eine junge Frau die Wendeltreppe hinab zur unterirdischen Mikwe. Sie ist allein, alles ist still. Sie entkleidet sich für das rituelle Reinigungsbad. Da sieht sie im Licht der Öllampen die Wasserfläche zittern. Die Erde rumpelt. Eine Warnung.

Aber das Schriftstellersein nützt mir auch für meinen Studienabschluß. Ich bin es gewohnt, große Aufgaben in kleine Schritte einzuteilen. Damit ich den Stoff für die Mittelalterklausur im Februar beherrsche, muß ich jeden Tag 131 Seiten durcharbeiten. Habe das gerade gemacht, von 9.00 Uhr bis 21.00 Uhr, mit wenigen Unterbrechungen. Whew. Schreiben ist einfacher.

Seid ihr auch solche Ja-Sager? Heute kam Post vom Verlag Landpresse, es wird eine neue Anthologie geben von Axel Kutsch und Amir Shaheen. Zum Thema Justiz, Gefängnis, Betrug soll ich mich mit ein bis fünf Gedichten beteiligen. Nun ist es ratsam, sich als Autor auf ein Genre zu beschränken, weil man dort eine Leserschaft aufbauen kann. (Wer von denen, die historische Romane lieben, liest auch Lyrik?) Aber ich weiß schon, daß ich dieser Tage meine Notizen hervorkramen werde von den Gefängnisbesuchen im vergangenen Jahr, und daß ich versuchen werde, das Eindrücklichste in ein Gedicht zu fassen.

Ich glaube, am besten war der Satz eines Häftlings, der mich ungläubig vor den Eisengittern stehen sah, weil ich nicht damit gerechnet hatte, in einem modernen Berliner Gefängnis Eisengeflecht wie in einem mittelalterlichen Verlies zu finden. Er sagte: "Hier könnten Tiger herumlaufen, es würde niemandem etwas passieren. Sind ja alle hinter Gittern."

Hallo Herr Müller Titus.Habe gelesen die Geschichte von Josef und Maria hat mich schwehr beeindrukt.Ich selber bin Geboren in Russland lebte neun Jahre ohne Strom, meine Eltern waren selbstversorger, dann zogen wir von Kasachstan zu den Kirgiesen an die Afganische Grenze (Talieban).Mitt achzehn kam ich dann nach Deutschland ,wo auch alles nicht einfach verlief.Mein Leben ist voller heulen und lachen gewesen .Haben Sie Interrese an meiner Lebensgeschichte.Wir haben kein Fernseher gehabt und das Leben selber gelebt.Mommentan lebe ich in London Bis september und Hätte Zeit dies zu tun.Melden sie sichbei mir.

Ida


In meinem Ideen-Ordner warten 34 Romane darauf, geschrieben zu werden. (Habe ich eben extra nachgezählt.) Und es werden schneller mehr, als ich mit dem Schreiben nachkomme. Sicher birgt Ihr Leben eine spannende Geschichte, aber ich muß Ihnen gestehen, daß ich mich vor spannenden Geschichten kaum retten kann, und Ihre Geschichte deshalb – neben 34 Konkurrentinnen – nicht gut bei mir aufgehoben wäre.

Welchen Tag haben wir? Den 31. Januar? Dann sollte ich mich an den Federwelt Newsletter setzen, damit er morgen pünktlich um acht bei seinen Abonnenten ist. Wirke ich heute irgendwie ... gestreßt? ;)

28.1.05

Wie es zu "Basilea" kam

Wollt ihr wissen, wie es zu "Basilea" kam? Vor ein paar Monaten erhielt ich eine E-Mail von einem kleinen Schweizer Verlag, ob ich nicht Lust auf ein gemeinsames Buchprojekt hätte. Ich solle den Roman zu einem Musical schreiben, das 2006 im Basler Musicaltheater aufgeführt werden würde. Ich wollte dankend ablehnen, weil ich nicht mal eben für einen einzelnen Roman den Verlag wechsele. Aus Neugier habe ich vorher noch den Anhang geöffnet. Und fand ein Musical-Exposé, das mich seitdem nicht mehr losgelassen hat. Dramatische Liebesgeschichte, historisch fundierte Katastrophe, die eine ganze Stadt zerstört, religiöse Konflikte obendrein. Diesen Roman mußte ich schreiben.

Mein Verlag, Aufbau, hat die Rechte erworben und dem Schweizer Verlag, Brunnen, eine Hardcover-Lizenz verkauft. Das Buch erscheint also zweimal, im November 2005 als Taschenbuch und im Frühjahr 2006 als Hardcover. Übrigens ist ein Titel gefunden, den der Aufbau-Lektor, der Aufbau-Programmchef und ich gut finden. Jetzt müssen wir nur noch die Marketingleute überzeugen.

Mit dem Musicalautor verstehe ich mich blendend. Was er mir schon geholfen hat! Um das auszugleichen, müßte ich eigentlich eine Nebenrolle singen im Musical.

Habe heute das erstemal in meinem Leben Schnee geschippt. In Berlin bleibt Schnee nicht liegen, und wenn doch, dann rücken orangefarbene Fahrzeuge aus, vor denen sich riesige Bürsten drehen, die den Schnee beiseite kehren. Im Weserbergland aber, wo ich seit einigen Wochen lebe, ist alles eingeschneit. Ich war heute an der Reihe, den Fußweg freizumachen. Manchmal machen simple Aufgaben Spaß. Immer wieder trete ich ans Fenster und freue mich über die schneefreie Bahn vor dem Haus. Kommt nur, ihr Fußgänger, kommt! Benutzt meine Bahn!

26.1.05

Schreibtempo und das Angeln von Ideen

Das "Basilea"-Exposé ist fertig, habe es soeben an den Verlag geschickt. Und eine Hauptfigur hat heute ihre Persönlichkeit erhalten. "Erschreckend glaubwürdig", schrieb mir diese Woche jemand über Nevopor aus der "Priestertochter" - ich denke, die neue Figur wird ebenso schockieren.

Ich habe heute versucht, 10 Seiten zu schreiben. Bin gerade bei der Hälfte. (Ich kann nicht solange sitzen! Was könnte man nur zwischendurch machen.) Wie gehtst du vor, beim schreiben? Du schreibst bestimmt immer so viele und noch mehr Seiten, oder? Hast du ein bestimmtes Vorgehen?

mirjam


Meinst du A4-Seiten oder Buchseiten? Wenn du A4-Seiten meinst - soviel schreibe ich in einer Woche! (Etwa 20 Buchseiten.) Ich bin nicht sonderlich schnell.

Was das Sitzen angeht: Am besten ist es sowieso, ab und an das Unterbewußtsein arbeiten zu lassen, nicht zielstrebig zu fischen, sondern eher zu angeln. Wenn ich beim Schreiben auf ein Problem stoße, dann analysiere ich genau, warum ich festhänge, spieße den damit gefundenen Köder auf einen Angelhaken und werfe ihn aus. Mit meiner Angel sitze ich ganz gemütlich da. Es bringt nichts, im Wasser herumzurühren. Ideen angelt man am besten, indem man hübsch seine Angel hält und dabei vergißt, an Fische zu denken. Das heißt für mich, daß ich abwasche, Wäsche aufhänge, einkaufen gehe, solche Sachen. Bisher hat noch immer etwas angebissen.

25.1.05

Ein Mann, der an Wänden horcht

Bin sonst nicht der Typ, der Fremde auf der Straße anspricht. Als ich heute eine junge Frau weinen sah, habe ich meine Scheu überwunden und sie gefragt, ob ich ihr helfen kann (sie hat wirklich schlimm geweint). Daraufhin hat sie mir ihr Unglück erzählt. Wenn doch das Menschsein immer so einfach wäre: nachfragen, zuhören, trösten.

Bei meiner Heimkehr schrieb ich das erstemal seit einer Ewigkeit eine Kurzgeschichte, ohne eine Anthologie oder einen Literaturwettbewerb im Blick zu haben. Die Grundlage: ein gescheiterter Text. Nach der Begegnung mit der Unglücklichen hatte ich die passende Richtung für ihn gefunden. Warum gescheitert? Horst Bosetzky hatte mich vor ein paar Monaten gebeten, eine Satire zu schreiben, und ich mußte feststellen, daß ich zum humorvollen Schreiben nicht tauge. Also habe ich die ungewollt ernsthafte Satire heute in eine fertige Kurzgeschichte verwandelt. Sie handelt von einem Mann, der an Wänden horcht und nicht wagt, zweimal die Toilette zu spülen, weil er fürchtet, die Nachbarn könnten eine schlechte Meinung von ihm haben. Dieser Mann begegnet einem weinenden Mädchen und wächst über sich selbst hinaus.

Wann wusstest Du, dass Du Schriftsteller werden willst? Und vor allem was haben Deine Eltern dazu gesagt?

Florian


Eine Leseratte war ich schon immer. Auf die Idee, Schriftsteller zu werden, kam ich mit achtzehn, als mein Bruder mir eine Geschichte gab, die er geschrieben hatte. Sie stand denen aus den Büchern in nichts nach, was mich verblüfft hat. Damals habe ich begriffen, daß das Schreiben ein Beruf ist wie andere auch, ein Handwerk, das man erlernen kann.

Meine Eltern haben mich unterstützt, zugleich das Schreiben aber als Phase gesehen, die irgendwann enden würde. Ihnen wäre es lieber gewesen, wenn ich einen "richtigen Beruf" ergriffen hätte, allein schon wegen der finanziellen Unsicherheit, unter der Autoren leiden. Sie sind keine großen Romanleser, und doch kreative Menschen: Mein Vater komponiert Musik und schreibt Sachtexte, meine Mutter zeichnet und schreibt Kindergeschichten.

24.1.05

Die Brillenmacherin

Schade, daß man keine Gerüche posten kann. Wenn ihr wüßtet, wie gut die "Brillenmacherin" riecht! Heute habe ich die ersten beiden Exemplare erhalten. Besonders freut mich, daß die Karten, die Norman Hothum auf Pergament gezeichnet hat, vierfarbig abgedruckt wurden, und zwar auf dem Vorsatzpapier (die Innenseite des Buchdeckels und das erste Blatt). Das gibt dem Roman etwas ... Prachtvolles.

20.1.05

Die hypnotische Wirkung von Musikschleifen

Wenn mir eine Arbeit schwerfällt, dann hypnotisiere ich mich, wie der Schlangenbeschwörer mit seiner Schalmei die Kobra betört. Heute habe ich einen Track der "K-Pax"-Filmmusik so lange laufen lassen, bis ich aus zwölf Seiten Kapitelplan ein dreiseitiges Exposé für "Basilea" gebaut hatte. Die gleichförmige Musik hielt mich in der Denkbahn fest.

Man darf das Schreiben von Exposés nicht auf die leichte Schulter nehmen. Ich jedenfalls gebe mir immer viel Mühe dabei. Das ist der Text, der für viele Entscheidungen im Verlag die Grundlage bildet. Die können nicht für jeden Handgriff den kompletten Roman lesen. Das Verlagsprogramm umfaßt bei Aufbau 330 Titel im Jahr – ich habe da keine Illusionen: Die Mitarbeiter können unmöglich alle Bücher lesen. Also hat das Exposé großen Einfluß darauf, wie der Roman im Haus gesehen und behandelt wird.

Einen Titel haben wir immer noch nicht. Der neue Vorschlag wurde verworfen wie diejenigen von gestern. Als ich nun durch den Regen lief und über weitere Titelvarianten nachdachte, wurde ich fröhlich: Ich könnte mich zwar darüber ärgern, daß meine Ideen und die des Lektors wieder und wieder abgeschmettert werden; viel lieber bin ich aber froh darüber, daß die Titelwahl im Verlag nicht auf die leichte Schulter genommen wird, sondern daß man sich Gedanken darüber macht, welcher Titel möglichst viele von euch dazu verführen wird, den Roman zu lesen. Wir arbeiten daran.

19.1.05

Wäsche aufhängen

Das war also die virtuelle Lesung. Wie ich euren Mails entnehme, hat es euch gefallen. Freut mich. Schön, daß ihr hier wart! Bernd: Danke für deine Zeit.

Habe heute am Plot von "Basilea" gearbeitet, und die beste Idee hatte ich, als ich kurz vom Schreibtisch aufgestanden war, um Wäsche aufzuhängen. Ich sollte das öfter machen. Kann mich erinnern, daß mich das Wäscheaufhängen schon aus so mancher Not gerettet hat beim Schreiben. Heute hat die Idee zwei Plotstränge ganz vortrefflich zusammengeführt und aus einem allgemeinen Problem ein persönliches Problem meiner Protagonistin gemacht. Ist ja ganz schön, wenn die Intrige des "Psitticher"-Ritterbunds die gesamte Stadt Basel ins Unglück stürzt. Noch besser ist es aber, wenn dabei die Protagonistin zur Zielscheibe der Verschwörer wird ... Make it personal. Hehe. Ich liebe es, Schreibregeln aufzustellen.

Nebenher habe ich mit Gunnar Cynybulk, meinem Lektor bei Aufbau, Mails getauscht und ein paarmal telefoniert. Es galt, einen Titel für "Basilea" zu finden. Als wir uns einig waren, meldete sich der Programmchef mit einer Kritik, und nun suchen wir erneut. Gar nicht so leicht.

18.1.05

Danke.

An alle, die mitgelesen und kommentiert haben. Und ein sehr großes Dankeschön an Titus Müller, der ein wunderbarer Gastgeber war. Er hat seine Blogsoftware so eingestellt, das ich über neue Kommentare zu dem heutigen Tage auf dem Laufenden bleibe. So kann ich auch später noch auf Eure Beiträge reagieren.

An diejenigen, die sich heute spontan für die "Pimp My Book"-Aktion angemeldet haben. Nach Beendigung der virtuellen Buchtournee am 26.01.05 werde ich mich mit Euch/Ihnen in Verbindung setzen. In Vorbereitung ist dafür ein kleiner Fragebogen, der eine schnelle Projektbeschreibung ermöglicht. Wer sich also bis zum 26.01.05 bei mir meldet, wird in den Verteiler aufgenommen und bekommt die näheren Infos zugesandt.

Und für Feedback zur virtuellen Buchtournee bin ich jederzeit dankbar.

Morgen geht es hier weiter. Ich hoffe, man trifft sich wieder!

Einfach genial. Oder genial daneben?

Die virtuelle Buchtournee zu "Kauf! Mich! Jetzt! Die besten Werbestrategien für Autoren und Selbstverleger"

Auch ich habe geschwankt, als ich die folgenden Beispiele entdeckte. Autoren und ihre Methoden, um auf sich und ihre Bücher aufmerksam zu machen. Was halten Sie davon?

Die Entdeckung des Kostenlosen
Marketing-Guru Seth Godin hat ein neues Werkzeug für die Buch-Werbung erfunden. Das kostenlose elektronische Buch. Er wollte sein Buch "Unleashing the IdeaVirus", in dem es um die Erzeugung von Mund-zu-Mund-Propaganda mit einer völlig neuen Marketingtechnik geht, bewerben und bot daher sein Buch in zwei Varianten an – einer kostenpflichtigen, gedruckten Version und einer kostenlosen elektronischen Version, die man sich mittels Internet herunterladen, auf seinem PC, Palm oder Laptop betrachten und ausdrucken konnte. Aber war das nicht verrückt so etwas zu tun? Wie sollten die Leute für etwas bezahlen, dass Sie auch kostenlos erhalten konnten? Seine Annahme: Wenn die Leute mögen was sie lesen, werden sie auch die gedruckte Version kaufen. Aber sein Verlag wollte nicht. Wer will schon Versuchskaninchen für eine Technik sein, von der man nicht weiß, ob sie funktioniert? Also verzichtete Seth Godin auf die Zusammenarbeit mit seinem Verleger und brachte das Buch als Selbstverleger heraus – um seinen Marketingplan zu beweisen. Wäre er gescheitert, stünde es nicht hier. Mehr als 200.000-mal wurde das kostenlose E-Book innerhalb der ersten sechs Wochen aus dem Internet heruntergeladen. Und die gedruckte Ausgabe? Von der wurden 26.000 Exemplare zu einem Stückpreis von 40 Dollar verkauft. Ohne dass der stationäre Buchhandel daran beteiligt gewesen wäre, denn Seth Godin wickelte die Bestellungen ausschließlich über das Internet ab.


Das E-Buch für Erzähler
Der Erzähler Brandon Massey kam über das Internet zu seinen ersten Lesern. Sein Beispiel zeigt, dass die Idee des kostenlosen E-Books als Verkaufsmotor auch im Bereich der Belletristik funktioniert. Für seine erste Novelle „Thunderland“ interessierte sich kein Verleger. Also verlegte er das Buch notgedrungen selbst. Aber zusätzlich verschenkte er es. Wie Seth Godin bot er an, das Buch in einer elektronischen Ausgabe kostenlos herunterzuladen. Mehr als 20 Webseiten halfen ihm dabei, sein elektronisches Gratisbuch zu verteilen. Im Gegenzug versprach er ihnen einen Werbeplatz in seinem E-Book einzuräumen. Wirtschaftlich geschadet hat ihm die Aktion ganz und gar nicht, denn auch seine gedruckte Ausgabe wurde verkauft. Nachdem er mehrere tausend Exemplare in Eigenregie verkauft hatte, bot ihm ein renommierter Verlag einen lukrativen Vertrag an.

Funktioniert das auch im deutschsprachigen Raum? Was meinen Sie?

Das Buch zum Film
Guido Keller hat das bislang erfolgreichste Buch eines deutschen Selbstverlegers herausgebracht: "Hagakure", die Übersetzung einer Samurai-Bibel. Über 25.000-mal verkaufte sich der bislang noch nicht auf deutsch erhältliche Klassiker der Samurai-Kultur. Natürlich profitiert er von dem hohen Interesse, das Samurai-Themen in den Medien zuteil wird. Sein Erfolgsrezept aber war es, das Buch zum Film herauszubringen. Er veröffentlichte sein Buch parallel zum Start des Jim Jarmusch-Films "Ghost Dog" – einem Actionstreifen, in dem aus "Hagakure" vorgelesen wird. Das Prinzip der Merchandising Industrie, die zu jedem Hollywoodfilm auch Spiele, T-Shirts, Bücher oder andere Produkte herausbringt, machte sein Buch zu einem erstaunlichen Verkaufserfolg.

Können Sie Ihr Buch an einen Trend anhängen? Welche anderen Umfeldsituationen können Sie nutzen?

Nie ohne meine Agentin
Als Selbstverleger muss man alles in einer Person sein: Autor, Verleger, PR-Fachmann, Agent, Buchverkäufer. Die in London lebende Autorin Preethie Nair hat dies schnell erkannt. Sie hat eine der kuriosesten Geschichten der Buchvermarktung überhaupt geliefert. Als es darum ging, ihre erste Erzählung "Gipsy Masala" auf den Markt zu bringen, war ihr klar, dass sie eine exzellente PR-Agentur brauchen würde. Leider fehlte ihr das Geld, eine solche Agentur zu bezahlen. Der Ausweg? Sie gründete kurzerhand selber eine: "The Creative House", eine international tätige PR-Agentur, mit einer exzellenten PR-Agentin Pru Menon, die es meisterhaft verstand, die Medien für Interviews mit der noch unbekannten Autorin Preethie Nair zu begeistern. Nur: Pru Menon und Preethie Nair waren ein- und dieselbe Person. Mit gespielten Hintergrundgeräuschen und einer verstellten Stimme gaukelte sie Medienvertretern das Ambiente einer renommierten PR-Agentur vor. Dabei führte sie alle Telefongespräche doch nur von der Bettkante ihres Schlafzimmers. Die Sache funktionierte. Preethie erhielt jede Menge Medienberichte, die ersten Buchhändler wurden aufmerksam und als sich in einer Buchhändlerkette das Buch binnen kurzem mehr als 2.000-mal verkaufte, orderten immer mehr Buchhandlungen ihr Erstlingswerk. Mehrere Wochen war sie auf Platz 1 der britischen Bestsellerliste. Zwei Jahre danach schrieb sie ihr zweites Buch – eine Literaturagentin (diesmal echt) verschaffte ihr einen Vertrag über drei Bücher beim renommierten Verlag Harper Collins.

Unmoralisch oder legitim? Wieviel "Show" darf es denn sein?

Bernd Röthlingshöfer

Wie schreibt man ein gutes Autorenporträt?

Die virtuelle Buchtournee zu "Kauf! Mich! Jetzt! Die besten Werbestrategien für Autoren und Selbstverleger"

Das Autorenporträt ist einer der wichtigsten Texte, die Sie verfassen. Denn als Autor werden Sie häufig danach gefragt. Bei Verlagen müssen Sie es dem Exposé beilegen. Auf Ihrer Website gehört es zu den Basiselementen, die nicht fehlen dürfen. Ein Autorenporträt müssen Sie jeder Pressemitteilung beifügen und sollten Sie jedem Ihrer Werke anhängen.

Was ist ein Autorenporträt überhaupt? Eigentlich eine Textsorte für sich. Es hat ein bisschen etwas vom Lebenslauf, soll biografische und persönliche Daten vermitteln, den schriftstellerischen Werdegang oder den als Sachbuchautor anreißen. Gleichzeitig muss es viel mehr leisten. Es muss auf den Autor genauso neugierig machen wie auf sein Werk. Es muss eine Begründung liefern, warum Sie der perfekte Autor Ihres Werkes sind.

Ein Autorenporträt enthält:

 Geburtsdatum,
 Angaben zu Beruf und persönlichen Lebensumständen,
 Erwähnung der wichtigsten Werke,
 Die Begründung, warum Sie der beste Autor des Werkes sind.

Bloß, wie schreibt man das in aller Kürze? So dass es interessant zu lesen ist und der Leser Lust auf mehr bekommt?

Fünf Tipps für Ihr Autorenporträt
 Fassen Sie sich kurz. Hören Sie spätestens nach einer halben DIN A4 Seite auf. Oder schreiben Sie höchstens 150 Wörter. Das ist der Rahmen, in dem es Ihnen gelingen muss, das Wichtigste von Ihrer Person zu vermitteln.
 Bloß kein Eigenlob. Eigenlob stinkt, heißt es in Süddeutschland. Bleiben Sie sachlich und bescheiden. Humor ist übrigens sympathischer als sich-selbst-auf-die-Schulter-klopfen.
 Machen Sie Lust auf mehr. Packen Sie Informationen in Ihr Autorenporträt, die den Leser neugierig machen. Dinge, über die er mehr wissen möchte.
 Zeigen Sie sich als Mensch. Auch wenn Sie ein ernsthafter Sachbuchautor sind – niemand ist den ganzen Tag Arzt, Physiker oder Richter, sondern zuallererst Mensch. Schreiben Sie nicht von sich in der dritten Person. Und geben Sie ein bisschen was privates preis.
 Liefern Sie Stoff. Packen Sie etwas in Ihr Porträt, was ungewöhnlich genug ist, um bemerkt zu werden. Und dabei so einfach, dass man es weiter erzählen könnte.

Ich habe mir mal drei Autorenporträts von der Webseite des Züricher Diogenes Verlages heruntergeladen. Sehen Sie selbst nach, welche der fünf Kriterien in diesen kurzen Porträts erfüllt sind. Und wenn Sie Lust haben, raten Sie, um welche Autoren es sich handelt.

Beispiel 1
Geboren am 19.1.1921 in Fort Worth (Texas), gestorben am 4.2.1995 in Locarno (Tessin), begraben in Tegna (Tessin). Mit acht Jahren entdeckte sie in Karl Menningers psychiatrischer Studie ›The Human Mind‹ die Abgründe der menschlichen Seele und damit eines ihrer späteren Themen. Schreibtalent zeigte sie dann im College, wo sie das ›Barnard Quarterly‹ herausgab und eigene Erzählungen »mit Zeichnungen der Autorin« abdruckte. Sie wollte Schriftstellerin oder Malerin werden, vor allem aber »ein eigenes Zimmer haben, weit weg von zu Hause«. Superman kam ihr zu Hilfe: Sie fand einen Job als Texterin für die Abenteuer des Comic-Helden. Und dann half Hitchcock: Zehn Tage nach Erscheinen ihres ersten Romans erwarb er für 6800 $ die Filmrechte an ›Zwei Fremde im Zug‹ und machte sie weltberühmt.

Beispiel 2
Geboren am 14.1.1940 in Berlin. Vielgereister Architekt, Archäologe und Schriftsteller mit Berufsethos: »Das Schlimmste, was mir mit meinen Geschichten passieren könnte, ist die Vorstellung, dass ich jemanden langweilen würde.« Noch während seines Architekturstudiums bekam er das Angebot, für ein Jahr eine Baustelle in Ankara zu leiten, und 24 Stunden, um sich zu entschließen. Er wurde zum Globetrotter, der oft bis zu 100.000 Flugkilometer im Jahr zurücklegte, und zum Schriftsteller, der die Geschichte des Bauens und Wohnens so spannend wie einen Roman und seine ›Kille Kille Geschichten‹ auf dem Niveau angelsächsischer Meister der schaurigschönen Kriminalgeschichte geschrieben hat. Während der zwölf Jahre, die er in Johannesburg lebte, gab er eine satirische Monatszeitschrift heraus und gründete mit seinem Bruder das politisch-literarische Kabarett Sauerkraut.

Beispiel 3
Geboren am 4.3.1928 in Nottingham. Seine Phantasie ließ ihn Hunger und Kälte vergessen; im Bett, das Alan mit seinen vier Geschwistern teilen musste, erzählte er Geschichten. Mit der Poesie hatte es ein Ende, als er 14jährig als Hilfsarbeiter in einer Fahrradfabrik anfing. Der sozialen Misere entfliehen und die Welt entdecken, konnte er nur in der Armee. 1946 kam er als Funker nach Südostasien, wo er 16 Monate mit Tuberkulose im Krankenhaus lag, das zur Privatuniversität seiner Leseorgien wurde. Mit einer Rente entlassen, begann er in Spanien ein einfaches Schriftstellerleben mit der amerikanischen Lyrikerin Ruth Fainlight, seiner späteren Ehefrau. Ein Jahr lang schrieb er nichts als Gedichte – an sie. Mit ›Samstagnacht und Sonntagmorgen‹ wurde er zum Wegbereiter der ›Angry Young Men‹. Obwohl er sich nie zu ihnen zählte, war er doch der einzig wirkliche rebellische Arbeiterliterat unter ihnen.

Bernd Röthlingshöfer

Wie Sie das Internet zur Ausbreitung von Mundpropaganda nutzen

Die virtuelle Buchtournee zu "Kauf! Mich! Jetzt! Die besten Werbestrategien für Autoren und Selbstverleger"

Das Internet ist für die Ausbreitung von Ideen ein ideales Medium. Deshalb hat die Maus-zu-Maus-Propaganda, wie man sie hier besser nennen sollte, eine große Bedeutung. Anstatt Dinge zu erzählen, sendet man sie mit einem Mausklick einfach an jemand anderen weiter.

Nutzen Sie die Möglichkeit des Mediums, indem Sie explizit zum Weiterleiten auffordern! Und entwickeln Sie ein paar Angebote auf Ihrer Website, die sich weiterleiten lassen:

 Leseproben zum Download und Versenden,
 E-Cards mit Texten oder Bildmotiven,
 Lesezeichen zum Selberdrucken,
 Exklusive Bonustexte,
 Rätselfragen oder Spiele.

Eines der verrücktesten und perfektesten Beispiele dafür, wie man die Welten seiner Bücher auf einer Website weiter ausbaut und lebendig werden lässt, zeigt der schottische Autor Jasper Fforde ("Der Fall Jane Eyre"). Eine wahre Fundgrube von Ideen, die allesamt das Potenzial zur Maus-zu-Maus-Propaganda haben. Sie finden dort ein Kreuzworträtsel, Bilder-Memory, Photoalben, die die im Buch vorkommenden erfundenen Orte zeigen, ein Buch-Upgrade-Center, wo man seine Bücher auf den neusten Stand bringen kann und vieles mehr. Jasper Fforde ist für unkonventionelle Werbeideen immer gut. So versteigerte er bereits zweimal eine Rolle als Romanfigur in seinem neuen Buch. Das eingenommene Geld spendete er für einen guten Zweck.

Bernd Röthlingshöfer

Warum Sie als Autor selbst um Leser werben müssen

Die virtuelle Buchtournee zu "Kauf! Mich! Jetzt! Die besten Werbestrategien für Autoren und Selbstverleger"

Ganz einfach: Leser entscheiden über Ihren Erfolg. Und nicht das Werbebudget.

Kennen Sie den Titel "Die göttlichen Geheimnisse der Ya-Ya-Schwestern" von Rebecca Wells? Als das Buch herauskam war die Autorin völlig unbekannt. Es erschien 1996, erhielt ein paar positive Rezensionen und verkaufte immerhin 15.000 Exemplare.
Ein Jahr später kam es als Taschenbuch heraus. Innerhalb weniger Wochen wurden 30.000 Exemplare verkauft. Ohne dass dafür Werbung gemacht wurde. Dann reagierte der Verlag, schaltete Anzeigen und die Verkäufe verdoppelten sich. Im Februar 1998 tauchte es erstmals auf einer Bestsellerliste auf und bleibt dort 48 Auflagen lang. Über 2,5 Millionen Exemplare wurden bis heute davon verkauft.

Den Weg in die Bestsellerliste schaffte die Autorin wie sie selbst sagt, nahezu ausschließlich über Mundpropaganda der Leserinnen. Die göttliche Geheimnisse war eines der Lieblingsbücher in Lesegruppen, Frauen Gruppen etc. Frauen lasen das Buch nicht einfach nur, sondern sie diskutierten es gemeinsam. So trugen die Leserinnen das Buch zu einem Erfolg, der mit Werbung nicht erreichbar gewesen wäre

Marrit Ingman hatte es ursprünglich nicht geschafft, ihre düsteren Memoiren ("Inconsolable") einer Wochenbettdepression an einen Verleger zu verkaufen. Die Lektoren lehnten das Manuskript ab, weil sie der Meinung waren, Mütter würden nur positive Bücher kaufen. Marrit Ingman, die ihre Erlebnisse über 2 Jahre lang in einem Weblog dargestellt hatte, ließ sich davon nicht abschrecken. Sie fragte einfach die LeserInnen ihres Weblogs, was sie von einem solchen Buch halten würden. Dann packte sie die zahlreichen positiven Antworten als Zitate in ein neues überarbeitetetes Exposé. Das überzeugte. Schließlich sahen die Verleger, dass sie das wichtigste für die Vermarktung eines Buches schon mitbrachte: eine Leserschaft.

Der Physiker Didier Sornette hat lange Reihen von Verkaufszahlen bei Amazon analysiert und kam zu dem Schluß, dass über den Erfolg eines Buches nicht so sehr die direkte Einwirkung auf die potentiellen Käufer entscheidet, etwa durch Nachrichten oder herkömmliche Werbung. Wichtiger ist es vielmehr, dass sich im Bücherleser-Netzwerk möglichst lange Ketten von Personen bilden, die das Buch einander empfehlen.

Bernd Röthlingshöfer

Wie man kommentiert

Danke für den Hinweis, Gipsy und Kathie! Wer Bernd kommentieren möchte, kann dies ohne Probleme tun und muß sich nicht registrieren. Man klicke auf "0 Comments", dann auf "Post a Comment", und lasse schließlich die Felder für Paßwort und Namen frei. Darunter findet sich ein Feld "Or Post Anonymously", wenn ihr darauf klickt, ist kein Anmelden nötig.

Viel Spaß weiterhin wünscht

Titus

Pimp My Book

Die virtuelle Buchtournee zu "Kauf! Mich! Jetzt! Die besten Werbestrategien für Autoren und Selbstverleger"

Kennen Sie "Pimp My Ride" (zu Deutsch etwa: "Motz meine Karre auf")? Ein Magazin des TV-Senders MTV, das Anhänger zum Kult erklären. X-beliebige, gebrauchte Pkw, langweilige Serienautos mit ersten Rostspuren, werden von Experten technisch und optisch zu echten Hinguckern getrimmt. Eine Serie, die zeigt, wozu Tuning und Veredelung in der Autobranche fähig sind.

In der Buchbranche werden nur wenige Titel zu echten Hinguckern getrimmt. Ich schätze, dass nicht einmal 1% der Titel, die auf dem Markt sind, ausreichend beworben werden – bei rund 70.000 Neuerscheinungen jährlich sind das nur 700 Titel. Und die anderen 69.300? Und die, die auf der Backliste stehen? Und die, die noch im Lager liegen?

Da sieht es ziemlich düster aus. Denn die ganze Branche ist von der "Starmania" infiziert. Nur für Toptitel gibt es Budgets, nur Toptitel werden beim Leser beworben. Nur Toptitel werden rezensiert. Schlimmer noch. Die Marketingmethoden, die Verlage anwenden funktionieren nur bei Bestsellern.

Aber es gibt Marketingmethoden für Backlist-Titel, Erstlingswerke, Selbstverleger oder Miniauflagen. In meinem Buch "Kauf! Mich! Jetzt!" habe ich sie dargestellt. Sie basieren auf dem direkten Kontakt zum Leser, der Nutzung von Netzwerken und der Stimulation von Mundpropaganda als Mittel für einen nachhaltigen Bucherfolg.

Mit der Aktion "Pimp My Book" will ich beweisen, dass sie funktionieren.

Bis zu drei Teilnehmer werde ich mit den geeigneten Werbestrategien vertraut machen. Ich entwerfe ein individuelles Werbekonzept für Sie und werde Sie sechs Monate lang coachen. Kostenlos. Voraussetzungen sind: ein spannendes Buchprojekt, Ihre ernsthafte Mitarbeit, Ihre Bereitschaft die Ergebnisse der Aktion mit mir auszuwerten und zu präsentieren.

"Pimp My Book" ist ein Marketingexperiment, das in der Realität stattfindet. Eine Aktion, die für alle offen steht: vom Autor bis zum Großverlag. Bewerben Sie sich für die Teilnahme an "Pimp My Book"! Schreiben Sie mir per E-Mail und schildern Sie mir Ihre Aufgabe.

Willkommen beim ersten Tag der virtuellen Buchtournee. Und vielen Dank an Titus Müller, meinen freundlichen Gastgeber!

Bernd Röthlingshöfer

17.1.05

Die simpelste Autorenregel

An einem warmen Wintertag vergangene Woche sah ich einen Schwarm Stare. Sie bevölkerten einen Baum und zwitscherten, als wäre es Frühling. Sehr beeindruckend. Für den Roman! dachte ich. Im Kopf formulierte ich Sätze, die diesen Star-Schwarm-Baum beschrieben, so lange, bis ich einen guten gefunden hatte. Und dann war ich zu faul, ihn aufzuschreiben.

Die simpelste Autorenregel! Wie kann es mir passieren, daß ich sie immer noch breche? Wenn dir etwas einfällt, schreibe es sofort auf. Grrrr. Nun weiß ich nicht mehr, wie ich die Stare beschreiben soll. Falls ihr sie in "Basilea" wiederfindet, guckt genau hin, es wird ein zweitklassiger Satz sein, ich weiß es.

Die Prüfung am Freitag ist gut gelaufen. Bin gleich danach in die Bibliothek gestürmt, um weiter für den Roman zu recherchieren. Nun weiß ich, wer in Basel im Rat saß, wieviele Wachen in der Stadt für Ordnung sorgten, und mit welchen Tricks die Basler Bankiers das Zinsverbot umgingen. (Der einfachste darunter: Sie nannten die Zinsen "Gewinnbeteiligung". Was Begriffe ausmachen ...)

Heute abend treffe ich mich mit einem Buchhändler, um eine Lesung zu besprechen. Und morgen gibt es die virtuelle Lesung von Bernd Röthlingshöfer. Dazwischenrufen ist erlaubt! (Soll heißen: Mit einer Kommentarfunktion kann dann jeder Bernds Beiträge kommentieren.) Mailt ihm jetzt schon eure Fragen an brkn@gmx.de! Er sagte mir, er bereitet sich gerade vor für morgen, also, keine Scheu, ihr stört ihn nicht.

13.1.05

Der Junior in der Jury

Glaubt ihr mir, daß ich mich mit meinen 27 Jahren schon manchmal alt fühle? Ich bin lieber Jüngling als Erwachsener. Ja ja, das typische Männersymdrom vom "Kind im Manne" ... Als nun der Schreibwettbewerb startete, von dem ich neulich berichtete, war ich richtig froh, "der Junior in der Jury" genannt zu werden. Und eine beachtliche Jury hat Abebooks.de da versammelt! Amelie Fried ist dabei, -ky, Monika Felten, etliche mehr. Der Wettbewerb nennt sich "Die rote Feder 2005".

Lieber Titus,
das klingt aber interessant. Magst Du noch sagen, um wieviel Uhr das ganze stattfindet, oder beginnt es um 0.00 und endet um 24.00 Uhr? Dann würde ich auf jedenfall gelegentlich hereinschauen.
Gruß Ilka


Bernds virtuelle Lesung beginnt gegen 9.00 und endet gegen 17.00 Uhr. Wenn ihn am Abend noch Fragen per Mail erreichen, postet er natürlich weiter.

12.1.05

Warum Ludwig nicht Schriftsteller werden sollte

Ich habe euch noch etwas Amusement versprochen. Beim Lernen für die Prüfung bin ich auf einen Brief Wielands an seinen Sohn Ludwig gestoßen, der offenbar entschlossen war, Schriftsteller zu werden.

"Weißt Du auch was Schriftstellerei, als Nahrungszweig getrieben, an sich selbst, und besonders heutzutag in Deutschland ist? Es ist das elendeste, ungewisseste und verächtlichste Handwerk, das ein Mensch treiben kann – der sicherste Weg im Hospital zu sterben. Ich weiß was du mir sagen wirst – Romane, Schauspiele, Zeitschriften, Taschenbücher – und die Beispiele von Goethe, Schiller, Richter [Jean Paul], Kotzebue, La Fontaine. – In der Tat machen diese fünf eine Ausnahme, aber was sind 5 gegen mehr als 6000 Buchmacher, die es itzt gibt?

Lassen wir aber diese Personen, und sprechen von der Sache selbst. Der Buchhandel liegt in einem so tiefen Verfall und wird mit jeder Messe so viel schlechter, daß selbst angehende Buchhändler erschrecken, wenn ihnen ein Manuskript, das nicht schon einen berühmten Namen zum Garant hat, angeboten wird. Die Buchläden sind mit Romanen und Theaterstücken aller Art dermaßen überschwemmt, daß ihnen jeder Taler zu viel ist, den sie für ein Schauspiel das nicht von Kotzebue oder Schiller, oder einen Roman, der nicht von Richter, La Fontaine, oder Huber kommt, geben sollen.

Mit Journalen ist vollends gar nichts mehr zu verdienen; es stechen zwar alle Jahre etliche Dutzend neue, wie Pilze aus sumpfichtem Boden, aus schwammichten Wasserköpfen unserer literarischen Jugend hervor; aber es sind Sterblinge, die meistens das 2. Quartal nicht überleben."

Wieland an seinen Sohn Ludwig, August 1802

Dazu muß man wissen: Christoph Martin Wieland, der seinem Sohn hier so vehement vom Schriftstellerberuf abrät, war selbst einer der bekanntesten Schriftsteller seiner Zeit. Er mußte wissen, wovon er redet.

Und wir regen uns auf?

Eine virtuelle Lesung - hier!

So fühlen sich also Veranstalter kurz vor einer Lesung. (Habe ich genug Werbung gemacht? Werden überhaupt Leute kommen? Wird es technisch funktionieren?) Interessant für mich, die Sache mal von der Gegenseite kennenzulernen. Hinzu kommt, daß die Lesung alles andere als gewöhnlich ist.

Bernd Röthlingshöfer wird kommenden Dienstag hier im Weblog Ausschnitte aus seinem Buch über "Die besten Werbestrategien für Autoren und Selbstverleger" präsentieren, wird Fragen beantworten - bitte, fragt ihn was! - und nicht nur für zwei Abendstunden, sondern den ganzen Tag zur Verfügung stehen. Ein Marketingprofi mit zwanzig Jahren Berufserfahrung, der Autoren erklärt, wie sie ihre Bücher bekannt machen können.

Das Event ist Teil einer ganzen virtuellen Buchtournee. Sie beginnt hier bei uns und endet am 26.01. im Literaturcafé. Eine spannende Idee - Lesungen im Internet. Man kann kommen und gehen, ohne daß es die anderen stört. Das Lesetempo bestimmt jeder selbst. Und es haben unendlich viele Leute Platz.

Vorher, diesen Freitag, werde ich noch von zwei Prüfern durchleuchtet zum Thema Kleist. Habe da etwas lustiges entdeckt. Bevor ich es euch abschreibe, lerne ich aber noch ein bißchen.

10.1.05

Einmal Lektor gespielt

Heute kam ich mir vor wie ein KFZ-Mechaniker im blauen Overall, der mit einem Roller heranknattert, absteigt, und dann einen Porsche auf seine Verkehrstüchtigkeit hin begutachtet. Ich mußte zwei Romankapitel von Rebecca Gablé lektorieren ... Sie hat acht Romane geschrieben, ich drei. Sie hat bald eine Million Bücher verkauft, ich nicht mal ein Zehntel davon. Und da soll ich bei ihr ungünstige Perspektivwechsel kritisieren und ihr bessere Formulierungen vorschlagen?

Jedenfalls war es ein Genuß. (Fehler findet man immer. Aber ich meine, das Lesen war ein Vergnügen.) Mal sehen, ob wir uns so duellieren wie beim letzten Mal, als ich ihre Kapitel für die "Sieben Häupter" durchsah. Wir haben sehr unterschiedliche Auffassungen, was Dialoge angeht: Ich mag sie ohne "Tags", und Rebecca hängt gern "sagte er" an - was ich noch verkrafte -, oder "sagte er fröhlich" - was ich gar nicht mag. Ihren Roman "Das Lächeln der Fortuna" allerdings habe ich sehr gern gelesen.

Die "Sieben Häupter" verkaufen sich bestens, in Kürze gehen wir in die vierte Auflage. Was Wunder, daß Aufbau bereit war für eine zweite Runde. Wir schreiben also erneut zu zwölft einen Roman. Das Ergebnis erscheint im Frühjahr 2006.

9.1.05

Jeder kennt jeden

Immer mal wieder wird bewiesen, daß man über sechs Bekannte jeden anderen Menschen auf der Welt kennt. Da war ich skeptisch, bisher. Gestern aber traf ich in Berlin einen Englischlehrer, der in Christa Wolfs Haus wohnt. Er hat es ihr abgekauft, war lange Zeit ihr Nachbar. Außerdem ist er befreundet mit dem PR-Chef von Kofi Annan, dem Mann also, über dessen Schreibtisch sämtliche Reden des UNO-Generalsekretärs gehen. Ist das nicht verrückt? Ich kenne jetzt also über einen einzigen Bekannten Christa Wolf und Kofi Annans PR-Chef. Wow. Vielleicht ist doch was dran an dieser Jeder-kennt-jeden-These.

Ins Gespräch kamen wir, weil er in seinem Abiturkurs meine Kurzgeschichte "The Stallion" zum Klausurthema gemacht hat. Sie war zu lang (die zugelassene Wörterzahl ist exakt vorgegeben), also hat er kurzerhand das Ende gelöscht. Die Schüler sollten es neu erfinden. Und stellt euch vor, obwohl es ein gänzlich absurdes Ende ist, hat tatsächlich jemand meinen Ausgang der Geschichte ein zweites Mal entdeckt.

1999, du meine Güte. Da war an Romane bei mir noch lange nicht zu denken. Dafür konnte ich Englisch. Wieso geht denn nicht beides: Romane schreiben und Englisch können?

6.1.05

Besuch im Verlag

Habe gerade meinen Lektor, Gunnar Cynybulk, im Verlag besucht. Sehr nett war es, locker, herzlich. Allerdings hat er besorgt an den Erscheinungstermin für "Basilea" erinnert (mit dem Nebensatz, daß er mein Weblog gelesen habe). Hüstel. Er war wohl davon ausgegangen, daß ich längst bei Kapitel fünf bin oder Kapitel elf oder irgendwo dazwischen. Na, so konnten wir wenigstens noch etwas am Plot geraderücken. Und ich schaffe das, Gunnar, keine Sorge! Wir halten den Termin! Ach, wie ich mich darauf freue, wieder schreiben zu können, es kribbelt mir förmlich in den Fingern.

Die Prüfung ist gut gelaufen. Und - Ehrenwort! - ich habe doch tatsächlich an den Roman gedacht dabei. Mit dieser Assoziationskette: Meine Hand schmerzt. Sonst schreibe ich doch auch viel. Aber am Rechner. Ob ich zu Beginn des Romans die Stadt Basel beschreibe, einen Panoramablick biete, bevor ... Titus, verdammt, du sitzt hier in deiner Magisterprüfung! Also Stift in die Hand und weitergeschrieben.

5.1.05

Und "Basilea"?

Nun, ich denke über den Anfang nach. Fürchte mich davor, weil ziemlich zu Beginn des Romans etwas geschieht, das mir nicht leichtfallen wird zu schreiben. Eine derart intime, mehrere Romanfiguren schrecklich verletzende Katastrophe habe ich noch nie geschildert. Als ich sie meinem Freund erzählte, war seine Reaktion, er werde den Roman nicht lesen. (Dabei stöhnt er sonst entnervt auf, wenn ich vorschlage, eine Romantische Komödie zu schauen ... Wir Männer sind wohl doch sensibler, als man meint.)

Allein die ersten Sätze! Ist es richtig, die Katastrophe schon anzukündigen?

4.1.05

Was Panther so denken

Danke für die vielen guten Wünsche zur Prüfung! Es sollte nichts mehr schiefgehen. Der Stoff sitzt. Was Panther wohl denken, wenn sie im Käfig auf und ab laufen? Ich bin dauernd von einem Ende des Zimmers zum anderen gegangen dieser Tage. Half beim Lernen. Da müßten diese Panther doch längst Philosophen sein!

Überlegst du auch manchmal, was passierte, wenn dein Notebook verbrennt, geklaut wird, kaputt geht – und deine Manuskriptseiten und einfach ALLES wäre weg...?

*mirjam

Meistens fällt mir so etwas ein, wenn ich im Zug sitze und gerade kein Backup brennen kann. Dann zähle ich mir in Gedanken die Menschen vor, die eine Version des aktuellen Romans haben (Testleser, der Agent, der Lektor) und frage mich, wie alt sie jeweils ist, wer die aktuellste hat, wieviel verloren wäre, wenn nur noch diese existieren würde ... Und lerne ich daraus? Nein. Kaum heimgekehrt, habe ich die Sorge wieder vergessen.

Heute: Anfrage erhalten, ob ich in einer Literaturpreisjury mitmachen möchte. Zugesagt. (Ich poste den Link, sobald der Wettbewerb offiziell startet.) Zur Erholung vom Lernen einen langen Spaziergang gemacht. Ein Mann kam mir im Rollstuhl entgegen und wünschte sehr freundlich ein gutes neues Jahr. Die Sonne schien uns ins Gesicht.

3.1.05

Konkurrenten, die sich helfen

Heute: 36 Karteikarten bekritzelt, um für die Prüfung am Donnerstag zu lernen. Über eine Stunde mit Kathrin Lange telefoniert, kein Geplauder, nein, Arbeit. Wir sind ein Manuskript durchgegangen. Glücklicherweise macht diese Arbeit mit Kathrin Spaß.

Ihr Roman "Jägerin der Zeit" erscheint wie meine "Brillenmacherin" im März 2005, beides sind historische Romane, beide kosten 19,90 Euro, eigentlich müßten wir uns spinnefeind sein, so, wie wir uns Konkurrenz machen. Bin ich froh, daß das nicht der Fall ist! Überhaupt ist es ein Wunder: Autoren gehen miteinander um, als wären sie Geschwister. Man ist schnell vertraut, und man hilft dem anderen, obwohl man sich - wirtschaftlich gesehen - dadurch schadet. Genial. Wir brauchen mehr Autoren in der Welt!

Über den Tag verteilt immer wieder Besuche in Coroners Forum. Erst haben wir über einen Text diskutiert, jetzt ist es sehr spannend in die Richtung umgeschwenkt, wie man Leser gewinnt und gleichzeitig seinen eigenen Ansprüchen und Wünschen gerecht bleibt. Das ist viel interessanter als eine Prüfung und das Lernen dafür. Hmph!

1.1.05

Meyer, Marrak, Gaiman: bloggende Autoren

Ein lohnendes Untersuchungsgebiet für Psychologen: Wie das Internet unsere Art verändert, zu arbeiten und uns zu entspannen. Bei mir läuft es mittlerweile so, daß ich online gehe, wenn ich beim Schreiben festhänge, manchmal auch nur für fünf Minuten, um mich zu entspannen, während das Unterbewußtsein weiter am Problem arbeitet.

Meine bevorzugten Webseiten sind für solcherlei Kurzentspannung: Das Weblog von Kai Meyer, das Weblog von Michael Marrak, SPIEGEL online. Lange Zeit habe ich auch das Weblog Neil Gaimans gelesen. Bloggende Autoren haben etwas für sich. Ich lerne dazu, wenn ich ihre Tagesgedanken lese. Haben sie die gleichen Probleme wie ich? Wie lösen sie die? Ist ja nicht leicht, sich als Schriftsteller zu professionalisieren. Da helfen Kollegengespräche auf der Buchmesse oder beim Jahrestreffen des Autorenkreises historischer Roman. Da helfen Bücher. Und Weblogs.

Weil mir beim Mitlesen deutlich geworden ist, wieviel Spaß es macht, so ein Weblog zu schreiben, habe ich selbst eines begonnen. Es ist ein Vergnügen. Ehrlich. Und vielleicht hilft es einem weiteren Kollegen, seine Surfsucht mit der Arbeit zusammenzubringen. Ist doch beruhigend, wenn man nicht alleine darunter leidet, bei schwierigen Romanpassagen ins Internet fliehen zu müssen. Wir machen es alle so. Ähem.

Schwierig aber, etwas zur Südasien-Katastrophe zu sagen. Gespendet haben wir, gebetet. Das Gefühl bleibt, nicht so recht etwas getan zu haben.