26.10.05

Keine militärische Strenge bei "Perry Rhodan"

Während ich noch am Heftroman schreibe, beraten der Perry-Rhodan-Chefredakteur Klaus Frick und ich gerade einen Titel und Untertitel dafür. Außerdem hat mich der Illustrator kontaktiert. Ich hätte nicht erwartet, daß ich überhaupt gefragt werde, wie der Roman heißen soll und welche Szene illustriert werden könnte. Meine Vorstellung war: Bei Heftromanen, und vor allem bei einer Serie, die seit 1961 besteht, müssen die Autoren jedwede Freiheiten aufgeben. So ein Projekt will straff geführt sein. Ich erlebe aber erfreut, daß es bei Perry Rhodan eher freundlich als mit militärischer Strenge zugeht. Für meine technischen Rückfragen unterbricht Klaus Frick bereitwillig sein Tagesprogramm und erklärt mir, wie ... Nun, das verrate ich besser doch nicht. Habe mitbekommen, daß einige Perry-Rhodan-Fans dieses Weblog lesen.

Ich habe auf Deiner HP keinen Hinweis gefunden, welche Art Bücher Du am liebsten liest. Ob Du ein Genre einem anderen vielleicht vorziehst.

Julia


Ich vergleiche das Lesen gern mit dem Essen. Es wäre doch langweilig, wenn jeden Tag Pizza auf dem Tisch stünde, oder? Mir schmeckt Pizza, aber nach drei Tagen würde ich anfangen, mich nach Kartoffeln zu sehnen. Genauso geht es mir mit dem Lesen. Ich springe freimütig zwischen den Genres hin und her, mal lese ich einen Klassiker, dann einen Historischen Roman, dann wieder Sciencefiction oder ein Sachbuch. Ich kann mich für vieles begeistern. Entsprechend bunt gemischt sind meine Bücherregale. Obwohl, "gemischt" trifft es nicht ganz. Seit dem Umzug sind meine Bücher nicht nur nach Größe, sondern auch thematisch sortiert. Ich fürchte, wenn ich noch ein bißchen älter werde, fange ich an, sie innerhalb der Themen außerdem alphabetisch zu ordnen oder etwas ähnlich Verrücktes. Hätte ich doch lieber Bibliothekar werden sollen?

Im Augenblick lese ich den Perry-Rhodan-Silberband Nummer 88. Danach kommen die Narnia-Chroniken von C.S. Lewis an die Reihe.

Wenn ich dein Logbuch so lese, habe ich den Eindruck, dass du nur schreibst und büfflelst oder büffelst und schreibst... Nicht dass ich was dagegen hätte (nur leider ist mein zweiter Vorname Neugier), hast du auch Hobbies, Freunde? Und wie bekommst du das so unter einen Hut? Stelle mir das irgendwie kompliziert vor, ständig zu wechseln.
viele Grüße von
Laura


Wirke ich tatsächlich so fleißig? Das muß an meinem Wunsch liegen, immer einen guten Eindruck zu machen. Die Niederlagen erzähle ich nicht so gern. Aber glaub mir, oft genug spiele ich Computer (zum Beispiel mit einem Freund aus Berlin "Earth 2160" über das Internet – unsere Versionen sind gekauft und nicht geklaut!), gucke mir DVDs an, surfe durch das Internet, gehe spazieren oder liege auf dem Sofa und lese. Ich könnte bestimmt doppelt soviel schreiben jeden Tag, würde ich nicht Stunde um Stunde "herumbummeln", bis ich merke: So schaffe ich das Tagespensum nicht mehr vor dem Abendbrot.

Also: Klar gibt es Freunde, und wir machen ganz normale Dinge. Wir gehen ins Kino, "zocken" (so nennen wir das Computerspielen), plaudern über Gott, Bücher, Karriere, Frauen und alles andere wichtige, und beklagen, daß wir doch viel zu selten Zeit füreinander haben.

17.10.05

Bis sechs, zehn oder zwanzig

Was für ein spannender Tag. Ich habe geübt, an einer Kamera vorbei die Redakteurin anzuschauen. Dieselbe Frage kann ich jetzt viermal auf verschiedene Weise beantworten. ("Machen wir noch einen. Bitte etwas kürzer, und ohne daß du ... erwähnst.") Ich kann innerlich bis sechs, zehn oder zwanzig zählen, bevor ich eine bestimmte Bewegung vollführe, und wirke dabei hoffentlich so natürlich, als wäre es mir gerade erst eingefallen.

Am See haben wir gedreht, in der Stadt, an der Gänseweide. Die eitlen Gänse haben sich vor der Kamera in einem Drecksloch gebadet. Vielleicht halten sie das für filmwürdig? In der Stadt sind Passanten stehengeblieben; selbst die Autos wußten nicht immer recht, ob sie vorüberfahren durften.

Einen ganzen Tag Dreharbeiten für wenige Minuten Fernsehmaterial.

Dennoch hat die Sache Spaß gemacht. Bei den Dreharbeiten im Gewölbe unter der Burg haben Redakteurin, Kameramann, Tontechniker und Azubine gezaubert. Sie haben Schienen ausgelegt für einen Eisenwagen, den sie "Dolly" nannten. Auf diesem fuhr der Kameramann weich durch den Raum. Kerzen haben sie aufgestellt, Scheinwerfer auf die Säulen ausgerichtet, ein Schwert platziert, auf dem Funken wandern durften, und plötzlich, da hatte unsere Szene etwas zutiefst Mittelalterliches. Der Kameramann sprach immer öfter vom "Namen der Rose", und als ich mir die Aufnahme auf seinem kleinen Schwarz-Weiß-Bildschirm ansah, dachte ich: Er hat recht.

Wenn alles gut geht, kann ich euch mindestens diese Szene hier auf der Website zeigen, Ende November, wenn der Beitrag gesendet worden ist. Ich sage nochmal Bescheid, wo und wann man ihn sehen kann.

In einem Kellergewölbe aus dem 14. Jahrhundert, umgeben von Profis – da kann man nicht viel falsch machen. Trotzdem weiß ich: Ich tauge nicht zum Schauspieler. Wißt ihr, es ist mir schwer genug gefallen, vor der Kamera ich selbst zu sein. Unglaublich, daß man sich dafür anstrengen muß, sobald man sich beobachtet wähnt. Das wird der Treppeneffekt sein. Wollt ihr ihn ausprobieren? Geht mal eine Treppe hinunter und denkt dabei darüber nach, daß ihr gerade eine Treppe hinuntergeht.

Ich hafte nicht für die Folgen.

12.10.05

Nichts zum Anziehen

In der "Brillenmacherin" geht es um die erste englische Bibelübersetzung, meine anderen Romane kann man getrost als Ketzergeschichten bezeichnen – verständlich, daß Bibel TV und der Evangeliumsrundfunk ERF darauf aufmerksam geworden sind. Zumal ich die Romane ja als Mensch schreibe, der selbst an Gott glaubt. (Bei einer Lesung in Dortmund fragte man mich kürzlich, ob meine Romane von Ketzern handeln, weil ich selber einer bin. Die Lesungsbesucher werden auch immer frecher. Aber bei mir dürfen sie das.)

Morgen früh fahre ich nach Hamburg ins Studio von Bibel TV und unterhalte mich für eine Folge der Talksendung “Bibel TV das Gespräch” mit Maren Hoffmann-Rothe. Den Sendetermin sage ich euch noch. Damit ihr nicht vom Stuhl fallt, eine kurze Warnung vorweg: Die Haare sind ab. Ich sehe jetzt ungefähr so aus.


Nur, daß die Haare noch kürzer geworden sind. Diese Bilder sind vor ein paar Wochen bei einem Interview in Wiesbaden entstanden, und seitdem war ich wieder beim Friseur. Man könnte meinen, ich habe etwas nachzuholen ...

Wenn ich morgen die "Feuerprobe" bestanden habe, geht es gleich weiter. Am Montag rückt ein Fernsehteam des ERF bei mir zu Hause ein. Bis dahin soll ich noch eine Wasserpumpe, eine alte Häuserfront mit Schaufenster und ein paar Schwerter auftreiben. Letzteres wird schwierig. Aber mir gefällt, daß die Redakteurin sich so viele Gedanken macht. Ich muß das Team unbedingt zur Gänseweide hinlotsen. Heute sind ungefähr hundert Gänse in breitem Schwarm hinter einer einzigen hergewatschelt. Ein tolles Bild. Ich hoffe, das machen sie am Montag nochmal.

Und eben stand ich vor dem Spiegel und habe mich doch tatsächlich dabei erwischt, wie ich einen Klassiker gedacht habe: Ich habe nichts zum Anziehen.

9.10.05

Titus, der Hochstapler

Zwei interessante Veranstaltungen habe ich hinter mir, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten.

Vergangenes Wochenende: Die Würth-Preisverleihung. Man unterhielt sich über die Entwicklung an den deutschen Universitäten, Rotwein, Verlage. Man verwendete Worte wie "unsäglich", flocht Zitate von Adorno oder Roland Barthes in seine Rede ein, und war generell eher von nobler Zurückhaltung. Glücklicherweise hatte ein Jurymitglied seinen fünfjährigen Sohn mitgebracht – der hat die Sache aufgelockert. Ich kenne kein einziges Zitat von Adorno oder Roland Barthes.

Dieses Wochenende: Das erste Treffen von "Publicon. Christen im Journalismus". Hier drehten sich die Gespräche um Politik, Karriere in den Medien, darum, wie man trotzdem Mensch bleibt und ethisch handelt. Zwischendrin wurde auch öfter gebetet, das hat mir gefallen. Am ersten Abend saß man an Tischen für vier Personen, und natürlich mußte sich ausgerechnet der Referent an meinen Tisch setzen: Dr. Nicolaus Fest aus der Chefredaktion der "Bild". Wie fängt man da ein Gespräch an? Mein erster Versuch war gleich ein Faux-Pas. Ich fragte ihn nach dem einzigen "Bild"-Mitarbeiter, den ich kenne – nach dem Rezensenten, der meine Romane in der "Bild am Sonntag" besprochen hat. Nur um zu erfahren, daß "Bild" und "Bild am Sonntag" von getrennten Redaktionen gemacht werden, und daß sie sich spinnefeind sind. Hüstel.

Trotzdem habe ich eine Menge dazugelernt, an beiden Wochenenden. Und ich kapiere gar nicht, warum ich dort hinfahren, in einem Hotel wohnen und all diese Menschen kennenlernen darf. Diese Lebenserfahrung kommt wir vor wie ein Geschenk ohne Absender, und ich bin etwas ratlos – natürlich auch dankbar! –, immer in der Sorge, man habe mich nur verwechselt, irgendwann käme heraus, daß alles ein Irrtum war, oder daß ich ein Hochstapler bin, daß man sich in mir getäuscht hat.

Am besten ist wohl: Ich merke mir das Gelernte, und kehre damit zurück zum Alltag. Was gibt es alltäglicheres als Aldi? Zum Ausgleich also eine Aldi-Geschichte.

Am Freitag stehe ich bei Aldi in der Schlange. Eine lange Schlange. Endlich wird eine zweite Kasse geöffnet. Wir teilen uns auf. Da sprintet von hinten eine ältere Frau voran und schiebt sich vor mir an das Förderband. Mit einem Knurrlaut ruft sie ihren Mann herbei, der einen übervollen Einkaufswagen zwischen mich und meinen Vordermann zwängt. So dermaßen frech hat sich in meiner Gegenwart schon lange keiner mehr vorgedrängelt.

Mit Mühe bezähme ich meinen Ärger. Ich schaue auf das Eis, das sie aufs Band legen, und sage mir: Die hatten eben Angst, daß ihr Eis schmilzt. Ich sage mir: Die haben’s eilig, ich nicht. Aber so richtig beruhigen sich die Gedanken nicht.

Da sehe ich hinter mir einen Mann ohne Wagen, der nur Brot kauft und ein Netz Orangen. Ich frage ihn: Wollen Sie vor? Er bedankt sich und geht vor mich. Ich muß grinsen. Schon geht es mir besser. Ich stehe zwar noch weiter hinten in der Schlange, aber es macht mir überhaupt nichts mehr aus. Wozu der Streß? Sollen sie nur alle vorgehen.