22.10.06

Am Boden

Das Jahrestreffen des Autorenkreises Historischer Roman “Quo Vadis” ist heute zu Ende gegangen. Wir haben über Verlage geredet, über die tägliche Arbeit, über Stoffe und Schwierigkeiten und Herangehensweisen. Viele, viele waren da, wie soll ich sie alle aufzählen? Rebecca Gablé, Helga Glaesener, Guido Dieckmann, Iny Lorentz, Kathrin Lange, ach, Dutzende mehr und lauter freundliche Gesichter.

Heute haben wir zum erstenmal den Sir Walter Scott-Literaturpreis für den besten historischen Roman verliehen. Der goldene Lorbeer ging an Markus Orths für “Catalina”, der silberne Lorbeer an Rebecca Gablé für “Die Hüter der Rose”, der bronzene an Peter Prange für “Miss Emily Paxton”. Im Geplauder nach der Preisverleihung sagte Markus Orths zu mir: “Ich kenne dich, vom Open Mike, da hattest du noch lange Haare.” Natürlich erinnere ich mich. Damals hat er auch gewonnen. Ich sehe ihn immer dann, wenn er einen Literaturpreis gewinnt. Scherzhaft habe ich gesagt: Das nächste Mal in Klagenfurt oder Stockholm. Er lachte. Aber so abwegig ist das gar nicht, finde ich. Ich komme, Markus! Bin gerne der, der bei deinen Preisverleihungen applaudiert.

Beim Mittagessen fragte ich Gisbert Haefs, ob er denn immer Lust zum Schreiben hat, und wie er sich motiviert. In der Laudatio hatte er erwähnt, er sei faul. Da er über 20 Romane geschrieben hat, wollte ich wissen, wie das sein kann. Er nannte einige Kniffe, aber sie trafen nicht mein Problemfeld. Ich erklärte: Es liege bei mir eher daran, daß ich mich vom Morgen bis zum Mittag für einen schlechten Autor halte, und es mir mitunter eine Qual sei, diesen schlechten Autor zum Schreiben zu bewegen. (Am Nachmittag wird der Autor etwas besser.) Seine Antwort war, daß er dieses Gefühl kenne, und daß es nach zwanzig Romanen immer noch da sei. Es werde sogar schlimmer, weil man soviel gelesen habe und seine Schwächen noch genauer kenne.

Das hat mich nicht gerade beruhigt. Statt am Nachmittag im Hotelzimmer zu schreiben, wie geplant, habe ich Stunde um Stunde mit Verdrängungen herumgebracht. Die Versöhnung kam erst am Abend. Ich las in einem literarischen Kalender einen Auszug aus Franz Kafkas Brief vom 1. November 1912.

“Mein Leben besteht und bestand im Grunde von jeher aus Versuchen zu schreiben und meist aus mißlungenen. Schrieb ich aber nicht, dann lag ich auch schon auf dem Boden, wert hinausgekehrt zu werden.”

So die eigene Stimmung eingefangen zu sehen, ist eine Erleichterung. Es baut einen Käfig um das Ungeheuer. Man kann es ohne Furcht beschauen und anschließend sagen: “Und ich schreibe trotzdem, blödes Viech.”