30.6.05

Sanfter Morgenregen

Bin heute fünf Uhr aufgewacht. Eine wunderbare Atmosphäre: Der Regen trommelte auf die Dachfenster (ich wohne im Dachgeschoß), nicht wütend, sondern zärtlich, weich. Und draußen sang eine Amsel, als schiene die Sonne. Sie hat wohl begriffen, daß es kein dunkler Gewitterregen war, sondern ein sanfter Morgenregen. Wir waren uns einig, die Amsel und ich, daß dieser Regen einen guten Tag ankündigte. Beide haben wir uns über ihn gefreut. Und mit jenem Regengeräusch und dem Amselgesang bin ich wieder eingeschlafen.

Schlaft ihr auch bei Regen so gut? Von mir aus könnte es jede Nacht regnen. Das Trommeln der Tropfen weckt bei mir Kindheitserinnerungen. Wir haben als Familie im Sommer gezeltet. Es gibt nichts Schöneres, als in seinem Schlafsack zwischen den Brüdern im Zelt zu liegen, trocken, warm, während es draußen regnet. Die Zeltplane gibt dumpf den Aufprall der Tausenden von Regentropfen wieder. Das gleichmäßige, wohlige Geräusch macht einen schläfrig. Und man weiß: Ein Tag bricht an, an dem man nichts tun wird als zu spielen.

Zwar trifft das auf den heutigen Tag nicht zu - ich muß lernen für die Magisterklausur am Montag. Aber friedlich ist mir doch zumute. Im Bauch, irgendwo. Mehr brauche ich nicht.

24.6.05

Afrikaner, eine Ratte und ein Literaturpreis

Es ist schön, von einer Reise heimzukommen und nur nette Sachen auf dem Anrufbeantworter vorzufinden. Als ich am Dienstag aus dem Süden zurückkehrte (drei Lesungen und ein bißchen Urlaub), meldete eine freundliche Stimme auf meinem AB, ich sei als Preisträger des Würth-Literaturpreises gekürt worden. Er wird jährlich zum Ende Poetik-Dozentur an der Universtität Tübingen vergeben.

Für den zweiten Platz gibt es da 2.500 Euro. Klasse, oder? Für welchen Text, fragt ihr? Nun, meine Geschichte handelt von einem Mann, der sich schämt, wenn er zweimal die Toilette spülen muß (was denken die Nachbarn!), und der ein schlechtes Gewissen hat, wenn der Inhaber der Pizzeria ihn grüßt - hat er ihn nicht die letzten Tage mit einem Döner vorbeigehen sehen? Sprich: Die Geschichte handelt von mir.

Bei Literaturschock.de ist gerade eine Leserunde zur "Brillenmacherin" zu Ende gegangen. Daraufhin hat die Inhaberin des Forums eine ihrer beiden neuen Ratten Hawisia genannt. Ein seltsames Gefühl: Fortan hört eine Ratte auf den Namen meiner Romanfigur. Es ist, als würden zwei Welten ineinanderfallen, die sonst nur parallel existieren können (in etwa, als würde James Bond bei Donald Duck auftreten). Trotzdem freue ich mich. Seltsame Gefühle sind ja etwas schönes, man kann ihnen in seinem Bauch nachspüren und versuchen, herauszufinden, wie sie zustandekommen. Eine Ratte namens Hawisia! Und sie lebt wirklich!

Sonja, die gerade sieben Monate in Senegal war, schreibt:

Die schwarzen Leute sind wirklich unglaublich schön! Europäer wirken daneben so schlaff, krank und blass. Afrikaner sehen das zwar gerade umgekehrt ... Tja, der Mensch ist bekanntlich nie zufrieden mit dem was er hat.

Ich kann mir gar nicht vorstellen, daß wir bleichen Europäer für Afrikaner kräftig und schön wirken. Habe einige Fotos gesehen, die Sonja in Senegal gemacht hat. Diese tiefschwarzen Menschen sehen verdammt gut aus.

Zuletzt etwas Business: Im Brunnen-Verlag ist eine Hardcover-Ausgabe des "Kalligraphen" erschienen. Für 17,95 Euro kriegt man da einiges geboten. Besonders gefallen mir die Initialen zu Beginn der Kapitel.

Vergangenes Wochenende wurde die "Brillenmacherin" in der "Bild am Sonntag" empfohlen. In hübschen Worten, wie ich finde (ihr findet sie im Bereich Presse auf meiner Website). Frage mich, ob Alex Dengler meine Bücher mag, weil ich so jung bin. Er hatte schon den "Kalligraphen" in der "Bild" besprochen. Er ist 30, ich bin 27. Das verbindet, meint ihr nicht?

12.6.05

Wehrdienstverweigerer mit militärischer Auszeichnung

Vergangene Woche fragte mich jemand, ob ich wirklich allein von den Romantantiemen lebe. Die Wahrheit ist: Nein. Ich verdiene außerdem Geld bei Lesungen, und ich schreibe regelmäßig Artikel und Kurzgeschichten für christliche Zeitschriften. Heute habe ich einen besonders spannenden Fall bearbeitet. Ich habe über den Tag verteilt einige Mails ausgetauscht mit Terry Benedict, weil ich an einem Artikel von ihm und über ihn saß. Seine Geschichte hatte ich erst vergangene Woche entdeckt.

Terry hat für Action-Filme die Stunts geleitet. Sein erster Auftrag in Hollywood war "Terminator", er hat also mit Schwarzenegger zusammengearbeitet, später dann mit allen möglichen anderen Stars. Er war der Typ, der mitten im Berufsverkehr die Straßen von Los Angeles sperren läßt, um eine Verfolgungsjagd zu drehen. Der Typ, der einen BMW durch eine Schaufensterscheibe jagt. Aber es hat ihn nicht erfüllt. Zum Schluß, als er gebeten wurde, ein Zugunglück zu leiten für "Auf der Flucht" mit Harrison Ford, hat er abgelehnt, und ist nach Irland gegangen.

Nun ist er zurückgekehrt nach Hollywood und hat einen Film gedreht über den ersten Wehrdienstverweigerer der USA, der die höchste militärische Auszeichnung erhalten hat, die Congressional Medal of Honor. Das paßt nicht zusammen, meint ihr? O doch. Dieser Wehrdienstverweigerer, der sich weigerte, eine Waffe in die Hand zu nehmen, und der deshalb als Sanitäter in den zweiten Weltkrieg ging, wurde zwar von den anderen Soldaten verspottet, – einer drohte ihm sogar vor dem Gefecht, er werde ihm bei der erstbesten Gelegenheit in den Rücken schießen –, als es darauf ankam aber wurde er zum Helden. Der schmächtige Mann rettete eigenhändig fünfundsiebzig verwundete Kameraden (die, die ihn zuvor bedroht und verspottet hatten) durch den Kugelhagel, einen nach dem anderen. Seitdem gilt er als Kriegsheld.

Hollywood wollte die Geschichte schon lange haben, sie schreit ja förmlich nach Verfilmung. Desmond T. Doss, der besagte Wehrdienstverweigerer, hat aber immer abgelehnt. Erst Terry Benedict konnte ihn überzeugen. Beide sind Christen, Adventisten wie ich. Daß das einen Artikel für eine christliche Zeitschrift hergibt, leuchtet ein, oder? Man sieht an dieser Geschichte, daß ich mich gedanklich nicht nur im Mittelalter aufhalte ...

Läßt Du Dich eigentlich von einer Agentur vertreten?

Manuel


Ja. Von einer kleinen, ganz großartigen. Mein Agent heißt Michael Gaeb. Wir arbeiten seit meinem Debütroman "Der Kalligraph des Bischofs" zusammen. Damals bekam ich am Telefon das Angebot eines Verlags, den Roman zu einem Vorschuß von xyz zu kaufen und zu publizieren. Ich war natürlich überglücklich. Trotzdem stammelte ich, daß mich ein Agent vertritt und er das Honorar für mich aushandeln wird. Innerhalb von Tagen verdreifachte sich der Vorschuß. Hätte ich das allein hingekriegt? Nie und nimmer.

Von Schwangeren und schlafenden Kindern

Wenn man an einer Geschichte arbeitet, trägt man sie überall hin. Gestern war ich bei einer Grillparty, und als ich hörte, daß sich drei Frauen über ihre zurückliegenden Schwangerschaften unterhielten, habe ich mich frech in das Gespräch eingemischt. Meine Romanheldin ist im siebten Monat schwanger – was konnte mir besseres passieren als diese Grillparty? Die Frauen wollten mir Bücher geben zum Thema, aber Bücher sind nicht das, was ich brauche. Schließlich wollen die Romanleser nicht erfahren, wie sich das Kind im Bauch entwickelt. Sie wollen die Schwangerschaft miterleben. Durch dreistes Nachfragen habe ich also erfahren, wie es sich anfühlt, wenn das Kind im Bauch Schluckauf hat. Welche Ängste eine Mutter bei der ersten Schwangerschaft beschäftigen ("Kann ich das überhaupt? Werde ich das Kind gut versorgen?"). Daß unweigerlich ältere Frauen zu ihr kommen und ihr Horrorgeschichten von anderen Geburten erzählen. Gold, ich sage euch, Gold für den Roman!

Und dann auf der Heimfahrt noch ein Erlebnis, das sich in der "Todgeweihten" niederschlagen wird. Ich brachte eine Freundin nach Hause, während ihr Mann noch bei der Party blieb. Wir haben rasch Kindersitze in mein Auto gebaut und die Kinder angeschnallt. Die ersten Minuten der Fahrt hat die Jüngste (zehn Monate) Geräusche mit dem Mund gemacht, die sich ein Erwachsener nicht erlauben würde, und ihre Schwester (drei Jahre) hat ein bißchen vor sich hin erzählt. Dann aber wurde es still hinten im Auto. Und als wir ankamen und ich mich im Sitz umdrehte – ich sage euch, diesen Zauber werde ich im Roman nie so beschreiben können. Ein schlafendes Kind ... Nichts strahlt mehr Frieden aus. Die geschlossenen Augen, der geschlossene Mund, das Köpfchen, das sich ein wenig zur Seite neigt. Wo findet man dieses Vertrauen und diese Sorglosigkeit?

Meine Protagonistin wird nicht Auto fahren, keine Sorge. Aber sie wird ihr Kind in der Wiege anschauen, und ich werde sie sehen lassen, was ich gestern sehen durfte.

7.6.05

Vierte Auflage

Heute in der Post:

Die sieben Häupter
4. Auflage

Sehr geehrter Herr Müller,

wir freuen uns, Ihnen mitteilen zu können, daß wir die o. g. Taschenbuchausgabe im Juli 2005 nachdrucken werden.

Für die Nachdruckauflage sind etwa [ähem ... hüstel ...] Exemplare geplant.

Das Honorar wird entsprechend dem Vertrag in der vorgegebenen Höhe nach halbjährlichen Verkäufen abgerechnet.

Mit freundlichen Grüßen,

usw.

So etwas könnte jeden Tag im Briefkasten liegen. Freue mich riesig! Daß ich die Auflage hier nicht bekanntgebe, hat seinen Grund. Ich habe nicht vergessen, wie ich vor drei Jahren auf der Website über die 2. Auflage des "Kalligraphen" jubelte und nur Stunden später ein Anruf aus dem Verlag kam, ich möge doch bitte die Zahl der gedruckten Exemplare von der Website nehmen, das müsse die Konkurrenz nicht unbedingt erfahren. Also schweige ich brav.

Ein interessantes Phänomen darf ich aber ausplaudern, hoffe ich. Seitdem die "Sieben Häupter" beim Bertelsmann Buchclub zum Bestseller avancierten, werden sie auch im normalen Buchhandel verstärkt nachgefragt. Vielleicht deshalb die 4. Auflage. Die Leute sehen im Katalog das Buch und gehen in das nächstbeste Geschäft, ob es nun eine reguläre Buchhandlung ist oder ein Laden des Clubs. Die beiden Segmente scheinen sich gegenseitig anzuheizen. Und ich frage mich natürlich gleich, wie es gelingen könnte, mit der "Brillenmacherin" bei Weltbild und beim Club zu landen ... Naja. Gar nicht mein Arbeitsbereich. Ich sollte einfach schön schreiben und die Leute in der Lizenzabteilung ihre Arbeit machen lassen.

1.6.05

Klettern nur bis 12 Jahre

Klettert man als 27-Jähriger noch auf Bäume? Ich war gerade spazieren, um mich vom Schreiben zu erholen, und in der schönen Abendsonne befiel mich plötzlich ein unbändiges Verlangen, auf einen Baum zu steigen. Habe mir eine Eiche ausgesucht, und obwohl es sich verboten angefühlt hat – als stünde unter dem Baum ein Schild: Klettern nur bis 12 Jahre –, bin ich Ast für Ast hinaufgestiegen. Es war großartig! Hatte ganz vergessen, wie schön einem die Handflächen brennen von der Rinde, und wie gut es sich anfühlt, den Baum erobert zu haben, wenn man oben steht und die Sonne durch das Laub blinzelt.

Ich gestehe, ein bißchen peinlich wärs mir gewesen, wenn unten jemand vorbeispaziert wäre. Was macht der Mann da im Baum? hätte er bestimmt gedacht, und mir wäre nichts anderes übriggeblieben, als hinunterzurufen: Das mußte mal wieder sein! Ich sags euch, liebe Frauen, wir Männer werden nie, nie, nie erwachsen.

Heute kam der Herbst-Katalog von Aufbau. Ich war sehr glücklich, "Die Todgeweihte" auf einer Doppelseite zu sehen. Dazu die Ankündigung, daß man in SPIEGEL, Focus und Stern Werbeanzeigen schalten werde. Du meine Güte.