25.4.05

Beischlaf in "Basilea"

Habe dieser Tage meine erste Sexszene geschrieben. Ich hasse Sexszenen in Romanen. Sie kommen mir fast ausnahmslos platt vor, unpassend, unwirklich. Lieber mag ich geschlossene Schlafzimmertüren. Auch erfundene Figuren haben ein Recht auf Privatsphäre, finde ich.

Warum dann die Sexszene in "Basilea"? Es führte kein Weg daran vorbei. Die Protagonistin schläft mit dem falschen Mann, und wenn ich das nicht genau erkläre, verstehen die Leser sie nicht, schlimmer noch, die ganze Geschichte ergibt keinen Sinn für sie. Also konnte ich das Paar nicht bei den ersten Küssen verlassen. Ich mußte da bleiben. Die erste Hälfte der Szene beschreibe ich aus der Sicht des Mannes, die zweite Hälfte aus der Sicht der Frau. Und ich hoffe inständig, daß es nicht platt, unpassend, unwirklich herüberkommt. Werde die Passage wohl etliche Male überarbeiten.

Heute schrieb ich zudem einen Liebesbrief in den Roman hinein. Seinen Anfang stahl ich von einem tatsächlichen mittelalterlichen Liebesbrief. Es wird sich kein Leser über einen Mangel an Love Story beschweren können bei "Basilea". Auch wenn es nicht alles glücklich läuft. Der Liebesbrief stammt von dem Mann, den die Protagonistin mit dem Überbringer des Briefes betrügt. Naja. Ihr ahnt, wie kompliziert die Geschichte ist.

22.4.05

Wenn die Phantasie durchgeht

"Der Club" hat eine Lizenzausgabe der “Sieben Häupter” veröffentlicht. Prompt sind wir auf Platz 6 der Top 10 Taschenbücher gelandet.



Und die erste Auslandslesung gibt es zu feiern. Zählt die Schweiz als Ausland? Werde wohl öfter dort sein, wenn "Basilea" Ende des Jahres erschienen ist (wegen des Romanschauplatzes Basel).

Ansonsten übe ich mich darin, meine Phantasie zu zügeln, während ich stundenlang über die Autobahn brettere. Da fahren in der Nacht seltsame Schwertransporte, von flackernden Warnlichtern beleuchtet. Teilweise verhindern die Begleitfahrzeuge, daß man sie überholt. Was haben die geladen? Interkontinentalraketen?

Dazu das folgende Problem: Plötzlich während der Fahrt muß ich mir vorstellen, wie ich in das Heck des Autos vor mir hineinrase, ich höre in Gedanken das Geräusch sich verbiegenden Metalls, fühle mich durch die Scheibe geschleudert, schmecke Blut im Mund ... Brrr. Manchmal kann eine lebhafte Phantasie auch von Nachteil sein. Habe mir angewöhnt, wenn solche Vorstellungen kommen, einen scharfen Befehl zu geben im Kopf. Weg damit! Konzentriere dich, Junge! Ein wildes Pferd ist sie, diese Vorstellungskraft. Nicht leicht zu zügeln.

Keine Sorge. Suizidgefährdet bin ich nicht. Es beginnt mit dem harmlosen Gedanken: Stell dir vor, der Typ vor dir macht jetzt eine Vollbremsung.

Ansonsten klappt es prima mit dem Fahren. Selbst mein legendär schlechter Orientierungssinn funktioniert plötzlich. In Hamburg, das ich überhaupt nicht kenne, bin ich ohne Umwege zum Veranstaltungsort gefahren. Sich zu verfahren wäre aber auch fatal gewesen – auch ohne dies betrat ich "pünktlich" fünf Minuten vor Lesungsbeginn den Raum. Baustellen auf der Autobahn und der Rushhour-Verkehr in Hamburg hatten die Fahrt erheblich verlängert. Werde künftig noch mehr Pufferzeit einplanen. (Vom Zugfahren her bin ich das nicht gewöhnt.)

19.4.05

Bücherregale!

Laut Routenplaner muß ich in zehn Minuten auf der Straße sein, um den Leseort für heute Abend pünktlich zu erreichen. Gerade genug Zeit, mich kurz bei euch zu melden.

Ich habe mir zwei neue Bücherregale gekauft! In letzter Zeit hatten sich die Bücher so vermehrt, daß sie schon quer auf den Stehenden gestapelt werden mußten. Wie ich mich darauf freue, die neuen Regale einzuräumen! Ich werde bei dieser Gelegenheit alles neu sortieren, also auch die alten Regale ausräumen. Rubriken werde ich einrichten, wie in einer Bibliothek. Ich liebe es, Dinge zu ordnen. Sachbuch Mittelalter, Sachbuch Religion, Sciencefiction und Fantasy, Historischer Roman, Schreibratgeber, Kinder- und Jugendbücher – alle werden sie einen eigenen Bereich bekommen. Und natürlich nach Größe sortiert.

Bei der Arbeit an "Basilea" befiel mich heute die Sorge, daß ich womöglich zu rasch mit der Handlung voranschreite und im letzten Romandrittel nichts mehr zu erzählen habe. Also bin ich meinen Kapitelplan nochmal durchgegangen und habe jetzt einen Kurzplan aufgestellt mit drei Stichpunkten pro Kapitel. Ist übersichtlicher als der große Kapitelplan. Bei dieser Gelegenheit wurde natürlich gleich ein wenig umarrangiert. Der Stoff fügt sich wunderbar. (Und ich habe ihn nicht zu schnell erzählt, es paßt alles. Wird am Ende eher noch spannender, was ja eine gute Sache ist.) Es sind 22 Kapitel, die ich geplant habe. Mehr darf ich nicht einplanen. Erfahrungsgemäß kommen 10-15 Kapitel während des Schreibens hinzu.

Dumme Uhr. In einer Minute soll ich fahren. Dabei wollte ich noch davon schreiben, wie ich gerade beim Rasieren im Bad ein kleines Silberfischchen gesehen habe, und euch fragen, ob ihr die abstoßend findet. Sie haben diesen Ruf, nicht wahr? Deshalb wäre es mir auch peinlich, wenn ein Besucher sie bei mir sähe. Aber ich für meinen Teil mag kleine Gäste, gerade wenn sie silbern sind und über die weißen Kacheln eilen, als hätten sie wichtige Geschäfte zu erledigen.

15.4.05

Kein trockenes Vorlesestündchen

Auf der Heimfahrt von Kathrins Lesung in Hannover (bitte kauft alle den Roman "Jägerin der Zeit" von Kathrin Lange!) kam mir der Gedanke, wie sich diese Veranstaltungen verändert haben in letzter Zeit. Sie sind häufig kein trockenes Vorlesestündchen mehr, sondern ein Event mit Musik, Essen, Show. Bei Kathrin hörte man heute gregorianische Gesänge, im passenden Augenblick flammte rotes Bühnenlicht auf, Kerzen flackerten, eine zweite Leserin wechselte ein, die Besucher wurden in Kutten gekleidet und bekamen Metwein, Käse und Weintrauben gereicht.

Bei mir gestern in Nienburg war es ähnlich. Es spielte ein Harfner, die Lesungsbesucher standen vor der ungewohnten Aufgabe, geröstetes Fleisch mit einem blanken Dolch zum Mund zu führen, sie tranken Bier aus Tonkrügen und aaaahten und oooohten am Schluß der Lesung einem feuerspeienden Wirt. (Danke, Saltator, für das Foto!)



Ich finde diese Entwicklung gut. Lesen begeistert. Das darf man ruhig auch bei einer Buchpräsentation sehen.

Die Protagonistin in "Basilea" zieht Katzen an. Die Tiere der Nachbarn kommen zu ihr gelaufen, lassen sich streicheln, legen sich auf Truhen und Bett, um sie zu beobachten. Ich liebe Kleinigkeiten wie die folgende: Der Mann, der für das Unglück der Protagonistin sorgt, polstert seinen Stuhl mit Decken aus Katzenfell. (Die gab es im Mittelalter wirklich.) Ich glaube, aufmerksame Leser werden diesen Hinweis verstehen ... Aufmerksame Leser wie Manuela:

Sieht Catherine zu irgend einem Zeitpunkt die besonders schön verzierte Brillenfassung, die Elias ganz zu Anfang bei Thomas Latimer schnitzt? Beziehungsweise erfährt man irgendwann für wen sie bestimmt war?

Manuela


Ich habe mich beim Schreiben der "Brillenmacherin" gefragt, ob den Lesern solche Kleinigkeiten auffallen werden. Freut mich, daß du nach der Auflösung gesucht hast! Sie ist auf Seite 430 zu finden, also sechs Seiten vor dem Schluß, und gibt eine Erklärung für die angespannte Situation in Braybrooke zu Beginn des Romans.

Hi
Ich musste heute mein Referat halten und ich hab ein 1 bekommen.
Ist das nicht toll?
Lisa


Gratuliere! Du hast es gut gemacht: Zeitig angefangen, Infos über Autor und Buch eingeholt, dich vorbereitet. Da ist die "1" eine verdiente Belohnung.

Meine Belohnung ist jetzt das Bett. Gute Nacht!

12.4.05

Ein Werbefilm im Gottesdienst

Hatte gerade den griechischen Verlag am Telefon. Der erste Gedanke: Funktioniert mein Englisch noch? Es funktionierte. Der zweite: Die wollen doch nicht im Ernst das angekündigte Interview am Telefon führen? Zum Glück war es nicht so, sie schicken es per E-Mail. Whew. Spontan zu antworten ist schon in Deutsch keine leichte Sache. Ich erinnere mich, als ich im Urlaub bei meinem Bruder und seiner Frau in Amerika war und ein Interview für "Die sieben Häupter" geben mußte, daß der Telefon-Akku leer war und wir ständig vom Piepsen des Telefons unterbrochen wurden, dazu der Gedanke, daß jedes Wort aufgezeichnet wird ...

Was wollte Kedros? Meine Adresse, weil sie fünf Bücher schicken, damit ich sie für griechische Journalisten signiere. Die legen sich richtig ins Zeug. Erfreulich!

Tanja fragt, um welches Musical es sich bei der Grundlage für "Basilea" handelt. Das kannst du nicht kennen, Tanja! Es ist erst in der Produktion (und kann übrigens immer noch an Geldnöten scheitern, da sind einige Hürden zu nehmen). Der Komponist heißt Stefan Mens und hat als Musiker, Komponist und Dirigent unter anderem bei Les Misérables, Evita, Cats, und Crazy for you mitgewirkt. Der Autor Bruno Waldvogel-Frei hat in London Filmproduktion studiert und als Regisseur, Drehbuchautor und Produzent für Industrie- und Werbefilme gearbeitet. Heute ist er Pastor einer evanglischen Kirchengemeinde in Basel. Während der Recherchen für "Basilea" habe ich einen Gottesdienst dort besucht – es war deutlich zu sehen, daß Bruno Wurzeln in der Filmbranche hat: Im Gottesdienst wurde ein Werbefilm gezeigt, der ein neues Projekt der Kirchengemeinde vorstellte. Profi-Qualität, kann ich da nur sagen.

Wenn alles gut geht, wird "Basilea" Frühjahr 2006 im Musicaltheater Basel aufgeführt.

Anja schrieb aus Schweden die schlaue Frage: Sind für Verrückte die anderen verrückt? Tja, das möchte ich auch gern mal wissen.

10.4.05

Jagt Kleintiere durch Anschleichen

Manchmal ist die Zeit der beste Verbündete. Zum Beispiel beim Abwaschen. Ich höre immer noch meinen Vater sagen: "Titus, laß die Zeit für dich arbeiten." Sollte heißen: Wasch nicht jedes Teil einzeln ab, sondern knall dir das Becken voll, damit schon das Besteck einweicht, während du mit den Tellern beschäftigt bist. Wie oft habe ich eigentlich abgewaschen, bis ich sechzehn war? Kann höchstens ein Dutzend Mal gewesen sein. Ein Faulpelz war ich.

Beim Schreiben ist Zeit genauso nützlich. (Für Faulpelze und Fleißige.) Habe heute nach einigen Wochen wieder den Anfang von "Basilea" gelesen, und mir war plötzlich sonnenklar, daß das erste Kapitel nach der Hälfte vorbei ist. Weg mit dem Rest! Man kann doch nicht seine Heldin zu Tode erschrecken und sie dann mit dem Vater über Politik diskutieren lassen. Der Schreck muß einen Knacks in der Geschichte hinterlassen. Einen kräftigen. Zumal er nicht unbegründet ist ...

Habe gerade Outlook in den gelöschten Mails nach dem Stichwort "Kedros" suchen lassen. Und tatsächlich: Mein griechischer Verlag hatte mich längst angemailt. Nur, daß ich damals die Mail sofort wieder gelöscht habe. Mails mit dem Subject "GREETINGS" fangen bei mir normalerweise so an: "Ich bin der erstgeborene Sohn von Häuptling Omoh Kemokai, dem früheren Vorsitzenden der Sierra Leone Mining Corporation." Folgt ein dubioses Angebot über einen Geldtransfer. Wie sollte ich ahnen, daß diesmal eine ernstgemeinte Mail dahintersteckte?

Ob es häufig vorkommt, daß man ein Tier umbringt, während man meint es zu retten? Ich vollbrachte am Wochenende die Heldentat, ein Prachtexemplar von Spinne einzufangen und vor die Tür zu setzen. Sie war während einer Geburtstagsparty über den Boden gekrochen: dunkelbraun, streichholzschachtelgroß, haarig. Verständlicherweise waren einige Partygäste entsetzt darüber. Nun wollte ich in Erfahrung bringen, wie das Tier überhaupt heißt, und fand heraus, daß Winkelspinnen – so eine war es – in Häusern leben, bei uns, als Untermieter sozusagen. Ich habe die Spinne aus ihrem Lebensraum hinausgeworfen. Gerade so, als würde ein Riese einen Menschen auflesen und ihn mit einem freundlichen "Komm, ich helfe dir" ins Meer werfen. Hm. Schöne Rettungsaktion, Titus.

Wenn ich etwas in Lexika oder Naturführern nachschlage, lese ich mich meist fest. Diesmal habe ich eine Spinnenart entdeckt, über die es heißt: "Jagt Kleintiere durch Anschleichen." Wow. Laßt den Satz wirken. Eine Spinne! "Jagt Kleintiere durch Anschleichen."

Schöne Träume euch heute Nacht!

4.4.05

Der "Kalligraph" Spitzentitel in Griechenland

Erhielt heute die großartige Nachricht, daß der "Kalligraph des Bischofs" der Frühjahrs-Spitzentitel im griechischen Verlag Kedros ist. Kedros ist einer der fünf größten Verlage Griechenlands. Er veröffentlicht unter anderem J.R.R. Tolkien, Stephen King, Michael Crichton und meinen Liebling C.S. Lewis. Was für eine Freude!

Erscheinungstermin ist der 18. April. Eigentlich könnte ich auch "Titous" heißen. Warum nicht? Finde die Variante gar nicht so schlecht.

1.4.05

Möhrenrohkost

Der Federwelt Newsletter war fällig. (Er erscheint immer zum Monatsersten.) Das bedeutete: Ich hatte das Material durchzusehen, das sich in den zurückliegenden vier Wochen angesammelt hat, mußte nachrecherchieren, formulieren und kürzen. Hört sich anstrengend an? Das ist es nicht. Es macht Spaß. Und ich freue mich, daß seit Jahresanfang fast 300 Abonnenten dazugekommen sind.

Außerdem ist es höchste Zeit, daß ich meine beiden Kapitel für den Gemeinschaftsroman in die Runde maile, will heißen, an die zwölf beteiligten Autoren. Also bin ich heute alle Korrekturvorschläge durchgegangen, die drei Kollegen gemacht hatten, und habe sie eingearbeitet. Einer der Protagonisten ist nun ein wenig exzentrisch geworden, aber ich denke, es paßt zu ihm.

Was noch? Der Umschlagentwurf für die neue Hardcover-Version vom "Kalligraphen des Bischofs" war im Briefkasten. Hübsch! Da meine Bücher im Regal nach Größe sortiert sind (und nach Thema, und nach Verlag), habe ich gleich mal geschaut, wo das Buch dann stehen wird. Ich gestehe: mit dem Lineal! Das mache ich sonst nicht, aber da ich nur den verkleinerten Ausdruck hatte und die Zentimeterangabe ... Naja, ich gebs zu, ich bin ein bißchen durchgeknallt.

Gerade habe ich mit Tajana telefoniert, die meine Romane kurz vor Verlagsabgabe korrekturliest, und sie erzählte, daß sie eine Rohkostwoche gemacht hat. Nicht zum Abnehmen, nur weils gesund ist. Das hat so meinen Appetit geweckt, daß ich mir gleich eine Möhren-Apfel-Rohkost zubereiten mußte. Ist Jahre her, daß ich das zum letzten Mal gegessen habe. Es ist köstlich. Ich löffele, während ich diesen Journaleintrag schreibe.

Funktioniert es? Kriegt ihr Hunger? Ich erinnere mich an die Wochen auf dem alten Robbenfänger, wo wir irgendwann – mitten auf der Ostsee, ringsum nichts als Wellen – nur noch Esrom-Käse hatten. (Seitdem kann ich diesen Käse nicht mehr sehen!) Wir lagen auf Deck und haben uns lang und breit Mahlzeiten erzählt. Der Höhepunkt waren für mich Hefeklöße mit heißen Birnen. Nicht für zehntausend Euro hätte ich eine Portion davon bekommen können, ohne tagelang zu segeln, und gerade das hat es so unwiderstehlich gemacht, daran zu denken ...

Möhrenrohkost ist aber auch nicht ohne. Danke, Tajana!