27.2.06

In der Tanzschule

Ich kann mir Geschichten ausdenken. Ich kann Klavier spielen, und vor vielen Leuten reden kann ich auch. Aber ich kann nicht tanzen. Seit Jahren möchte ich es lernen. Nun habe ich mich endlich zu einem Tanzkurs angemeldet. Heute ging es los. Und jetzt hört euch das an: Kaum war ich in der Tanzschule und auf dem Weg zum Saal, trete ich meinem Vordermann auf den Fuß. Ehrlich, es war ein Versehen! "Schon geht es los", habe ich gesagt, und wir mußten beide lachen.

Sonst ging es ganz gut. Walzer, Diskofox, Merenge und Blues – lernen wir jetzt in jeder Tanzstunde vier neue Tänze? Wie viele es wohl insgesamt gibt? An den großen Spiegel an der Wand muß ich mich erst gewöhnen. Ganz schön unfair, jemandem, der Angst davor hat, sich zu Musik zu bewegen, auch noch zu zeigen, wie dumm er dabei aussieht. Die kurzen Momente, in denen es ganz passabel aussah, wecken Hoffnung, immerhin. Mit den Füßen komme ich schon gut zurecht. Jetzt müssen noch die Knie, die Hüfte, die Arme und die Hände lernen, aus der Musik was zu machen ...

Nach der Lesung in Hannover sprach ich mit Andi, einem jungen Mann, darüber, daß man Literatur im Zug "aussetzen" könnte. Sie würde dann sicher von vielen gelesen werden. Seine Reaktion: "Ich habe meinen Schal aus dem Zug." Ich schaue ihn verblüfft an. Er erklärt, er habe einen Schal gebraucht, und da hatte jemand seinen vergessen, und seitdem trage er ihn.

Ich habe vergangenen Winter meine Handschuhe liegengelassen. Wer hat die? Wessen Hände wärmen sie jetzt?

21.2.06

"Die Todgeweihte" im Schweizer Fernsehen

Habt ihr Lust, ein wenig Schweizerdeutsch zu hören? In der Schweizer Nachrichtensendung “7 vor 7” wurde heute mein Roman “Die Todgeweihte” vorgestellt. Ich quatsche im Interview ein bißchen zu schnell, aber allein für den herrlichen Dialekt lohnt es sich: Zur Sendung auf Telebasel.ch.

Die gestrige Lesung in Basel in der Buchhandlung “Bider & Tanner” lief fantastisch. 220 Leute waren da. Hier drei Bilder vom Gewimmel. Im letzten Bild seht ihr von rechts nach links die Schlange derer, die ein Buch signiert haben wollten. Vera, wenn du dies liest: Danke, daß ich deine Kugelschreibermine leerschreiben durfte! Und Timon: Sorry, deinen Stift habe ich aus Versehen mitgenommen. Er ist unfreiwillig von der Schweiz nach Deutschland übergesiedelt.



16.2.06

Das ist kein Telefon

Was für ein Glück! Ich bin einige Tage in Basel für geschlossene (heimliche) und offene Lesungen, Stadtführungen zu den Romanschauplätzen, Interviews usw., liege gerade in meinem Zimmer auf dem Fußboden, schalte den Computer ein - und es gibt ein ungesichertes WLAN-Netzwerk in der Nachbarschaft! Also kann ich euch ein bißchen berichten, was in den letzten Tagen so los war. Nicht alles, natürlich. Drei lustige Situationen.

Szene 1: Ich telefoniere mit Frau Grauer von der Grauerschen Antiquariatsbuchhandlung in Nürnberg. Plötzlich klingelt ein Telefon an ihrem Ende der Leitung. Ich sage: “Gehen Sie doch ruhig ran, ich kann warten.” Sie sagt: “Das ist kein Telefon. Das ist der Papagei.” Es klingelt wieder. Pause. Es klingelt wieder. Ich frage: “Sind Sie sicher?” Sie lacht. Ich lausche. Es ist ein modernes Telefonklingeln, der Papagei wartet sogar die Pausen ab, die das Telefon macht, bevor es erneut klingelt. Da plötzlich schreit er wieder Papageienrufe. Da wir demnächst eine Lesung haben in der Buchhandlung, werden wir das Tier wohl live erleben. Frau Grauer: “Ich warne Sie, er hat bei Lesungen schon an den unpassendsten Stellen gekichert.” Wenn dieser Papagei so exakt ein Telefonklingeln nachahmt, dann möchte ich nicht wissen, wie sein Kichern klingt ...

Szene 2: Heute, im Zug nach Basel. Ich schreibe eine Szene, in der die Protagonistin die Löcher in der Kleidung ihres Kindes stopft (durchgeriebene Knie, das Problem hatte meine Mutter bei mir und meinen zwei Brüdern auch immer). Ich habe keine Ahnung, wie man ein Loch stopft. Also wende ich mich an die Frau, die neben mir sitzt, und frage sie danach. Sie lächelt, und sagt: “Ja, das weiß ich.” Bereitwillig erklärt sie mir, wie das Stopfen funktioniert. Schön! Manchmal ist es doch gut, nicht zu Hause, sondern unterwegs zu schreiben.

Szene 3: Heute, “geheime” Buchlesung in einem Schloßpavillon. Ich muß etwa 50 Bücher signieren (ca. 80 wurden verkauft, juchhu!). Frau Walter spricht mich während des Signierens an, deren Ehemann Verlagsleiter des Brunnen Verlags ist, der die “Todgeweihte” dieser Tage als Hardcover-Ausgabe veröffentlicht. Sie sagt, ihr Mann könne heute nicht hier sein, weil er nach Wien geflogen sei - mit Lauda Air. Ich frage mich schon, warum sie das so betont: Lauda Air. Sie sagt, ausgerechnet diesen Flug sei Nicki Lauda selbst geflogen, und ihr Mann habe das erste Exemplar des Romans dabeigehabt. Er habe es Nicki Lauda geschenkt. Wow! Der Mann war auf Müslipackungen abgebildet, als ich Kind war ...

Was ich sonst so mache? Ich bereite den nächsten historischen Roman vor. Und ich schreibe an der Fortsetzung der “Siedler von Vulgata”, damit im September eine erweiterte Fassung erscheinen kann. Einer der Leser der jetzigen Fassung schrieb:

Was passiert wohl mit den Siedlern von Vulgata, wenn die sie von den Galchinen nicht mehr benötigt werden ? Eine sehr fragwürdige Asyl Entscheidung.

Das ist der klügste Leserbrief, den ich bekommen habe, auch wenn andere wortgewandter und ausführlicher waren. Denn genau darum geht es im neuen, zweiten Teil des Romans. Um eine sehr fragwürdige Asylentscheidung, die plötzlich ihre Schwächen zeigt. Aliens und Menschen, die von einem Tag auf den anderen zusammenleben? So einfach geht das nicht.

2.2.06

Fremde Musik und ein Comic

Ich mag Alltags-Experimente (so bleibt das Leben spannend). Darf ich euch eines vorschlagen? Wählt im Radio einmal einen Sender aus, bei dem sich euch die Nackenhaare aufstellen. Ich habe das getan und höre gerade eine Mundharmonika Heimatmelodien säuseln. Den ersten Impuls, das Radio zu zertrümmern, habe ich bezwungen, und jetzt versuche ich, den Reiz dieser Musik herauszufinden. Irgendeinen Reiz muß sie haben. Sonst würde sie keiner hören wollen. Vielleicht ist es das Friedliche. Das Einfache, Verläßliche. In jedem Fall eine interessante Erfahrung, länger als ein paar Minuten auszuhalten, was ich sonst als “nicht zu mir passend” abgewürgt hätte.

Von der Preisverleihung gibt es keinen Versprecher zu berichten. Nur eines: Sollte ich je im Leben noch einmal in eine solche Lage geraten, schreibe ich mir vorher eine Rede auf. Mein Laudator Fabian Vogt, der Brendow-Verlagsleiter Erich Koslowski, die Pressesprecherin Angelika Janßen – alle haben sie in geschliffenen Worten gesprochen, druckreif. Dann hat man mir den Preis in die Hand gedrückt, und ich habe Alltagssprache geredet. Das entsprach ungefähr dem Gefühl, falsch angezogen zu sein. (Sonst war es eine schöne Veranstaltung und vor allem ein vergnügliches Abendessen danach. Da war es mir nicht mehr peinlich, daß ich mir erklären lassen mußte, was die Begriffe auf der Speisekarte bedeuten – ich war langsam mit den Leuten vertraut.)

Seit einigen Wochen verschweige ich euch meine aktuellen Arbeitsprojekte. Das soll nicht zum Dauerzustand werden. Also plaudere ich gleich mal ein Geheimnis aus: Es entsteht ein Comic! Bruno Waldvogel lieferte mit seinem Musical “Basileia” schon den Stoff für meinen Roman “Die Todgeweihte” – nun arbeiten wir an einem Comic, das denselben Stoff zur Grundlage hat. * Der Zeichner ist Roloff – ich finde, einen besseren kann es nicht geben für dieses Projekt. Und auch keinen besseren Texter. Die Story und die Dialoge stammen von meinem Freund Michael Bregel, der im Hauptberuf Disney-Comics schreibt und übersetzt. Er hat der Geschichte mutige Bildperspektiven zugetraut, und seine Dialoge – na, lest sie selbst in ein paar Monaten. Ich sage nur so viel: Der Mann geht mit der Sprache um wie Roloff mit der Farbe.

Mir bleibt nur, hier und da am Dialog zu zupfen oder ein historisches Detail zu ergänzen. Es ist eine Freude, den beiden Profis bei der Arbeit zuzusehen!

Eines aber ist echt keine Freude mehr: Die Musik. Wird Zeit, daß ich den Radiosender wechsele.

*An dieser Stelle gab es für kurze Zeit Bilder vom Comic zu sehen. Da hat mich der Verlag zurückgepfiffen - sie sollen noch geheim bleiben. Also war es eine Art versehentliche Sneak Preview für alle, die schnell genug hingeguckt haben ... ;)