29.9.05

Unmöglich verliebt inmitten von Robotern und Außerirdischen

Beim Lektorat lache ich von Zeit zu Zeit laut auf - vor Vergnügen! Es versetzt mir Adrelaninschübe, wenn ich ein Wort durch ein viel besseres Wort ersetzen kann. Sätze umzuformulieren, Fehler auszubessern, die letzte Politur am Roman: Jedes Mal erlebe ich dabei eine Art Glücksrausch.

Auf allen Seiten ist man zufrieden mit der "Todgeweihten", was mich erleichtert. Die Buchhändler haben sie in großer Stückzahl vorbestellt (fünfstellig!), Weltbild will sie in seinem Dezemberkatalog bewerben, und mein Lektor meint, ich habe mich wieder verbessert, habe wieder dazugelernt. Die Geschichte ist rasant geworden, knapp, fesselnd. Natürlich hatte ich auch eine gute Plotvorgabe durch Bruno Waldvogel-Frei. In fünf, sechs Wochen sollte die "Todgeweihte" in den Regalen liegen.

Währenddessen schreibe ich den ersten Heftroman meines Lebens. (Mein Agent Michael Gaeb war gar nicht so arg schockiert, als ich es ihm diese Woche beichtete.) Es wird Heft 2319 der Serie "Perry Rhodan", also eine Sciencefiction-Geschichte. Wer schon einmal völlig unmöglich verliebt war, wird sich inmitten von Außerirdischen und Robotern recht gut in diese Geschichte hineinversetzen können. Ich kann's.

20.9.05

"Ich", rief Friedrich

"Die Todgeweihte" ist abgegeben. Hoffe, die Nachtschichten haben sich gelohnt. Es ist ein seltsames Gefühl, jetzt darüber zu schreiben, wo noch so viel schiefgehen kann. Wird der Lektor auch mit der zweiten Romanhälfte zufrieden sein, oder müssen umfangreiche Passagen überarbeitet werden?

Roger Rebmann von altbasel.ch hat das Manuskript in Windeseile durchgelesen und mir einige Hinweise zu Stellen gegeben, an denen ich mich mit Ortsbeschreibungen irre. Zwei Baselbesuche machen einen nicht zum Profi – da bin ich froh, wenn ein Profi mir weiterhilft.

Mir selbst hat beim nochmaligen Überarbeiten vor allem Friedrich gefallen, der siebenjährige Sohn der Protagonistin. Er war gar nicht so eingeplant, ist aber zu einem wunderbar frechen und selbstbewußten Kind geworden. Den kleinen Fuchs nennen sie ihn, wegen der roten Haare. Wollt ihr ihn kennenlernen? Aus dem 26. Kapitel:

Den kleinen Fuchs hatte das Gespräch längst gelangweilt. Er stand am Brunnen und ließ Steine hineinplumpsen.
"Das wird Onkel Blackhall sehr wütend machen", rief Saphira hinüber. "Laß es, Friedrich! Wer soll in den dunklen Schacht hinuntertauchen und die Steine wieder herauslesen?"
"Ich", rief Friedrich. Er sah voller Begeisterung in den Brunnen hinab. Seine Stimme hallte. "Ich tauche hinunter! Darf ich, Mutter?"
Offiziell habe ich mir ein paar Tage Urlaub verordnet. Aber natürlich ist das Notebook dabei, und ich bemühe mich, ein wenig mit den E-Mails aufzuholen.

15.9.05

Eine kleine Tür öffnete sich

Gestern, bei der Lesung in Dortmund, gab es Gelächter. Ich lese Seite 9 der "Brillenmacherin":

Catherine sah an den eisenbeschlagenen Torflügeln hinauf. Als sie anklopfte, hörte man nichts. Das Holz wies ihre Hand ab wie eine lästige Mücke. Sie drehte sich herum und blickte den Weg zurück. Tränen standen ihr in den Augen. Catherine holte mit dem Fuß aus, trat gegen das Tor. Eine kleine Tür öffnete sich.
In diesem Augenblick geht die Ladentür auf. Vierzig Leute lachen, und der Mann, der eingetreten ist, guckt so verdutzt, daß sie noch mehr lachen. Ich erkläre, was ich gerade gelesen habe, daß sich eine Tür geöffnet hat im Roman, und ein Wächter fragte: Was willst du? Darauf der Mann: Ich will Fotos machen. Ich komme von den Ruhr Nachrichten.

Eine lustige Lesung war's. Das Publikum freundlich, der Laden gefüllt bis in den letzten Winkel. Deshalb soll ich in fünf Wochen nochmal an den gleichen Ort kommen (Horst Krumme, der Veranstalter, hatte ein Dutzend Leute abweisen müssen.) Eine Premiere für mich, so eine Doppelvorstellung. Was lerne ich daraus? Kleine Veranstaltungsorte sind gut. Sie sind leichter zu füllen. Aber das wäre nur die halbe Wahrheit. Herr Krumme hat sich ins Zeug geworfen: Er hat fleißig Werbung gemacht. Seine Schaufensterdeko seht ihr hier – mit bestem Dank an den Fotografen Ulli Saffran.

Und weil ihr nachgefragt habt: Daß ich in den letzten Tagen so selten Journaleinträge schreibe, hängt mit der "Todgeweihten" zusammen. Ich arbeite jede freie Minute am Finale. Es wird spannend, habe gerade am Ende nochmal alles umgedreht.

6.9.05

Stillhalten! Ein Foto!

Nur noch etwa 60 Romanseiten, dann ist die Geschichte zu Ende erzählt. Heute habe ich in der "Todgeweihten" einen Jungen einen Streich spielen lassen: Er ist auf einer hohen Mauer herumgeklettert und tat dann so, als sei er heruntergefallen. Ich glaube, das angsterfüllte Gesicht seiner Mutter (das ist die Protagonistin) hat ihm gut getan. So etwas wünscht man sich ja als Kind: Das eigene Begräbnis mitzuerleben. Vor allem, wenn man gerade schmollt. Man will dann sehr gern sehen, wie sie alle um einen weinen ...

Und wenn ich gerade nicht schreibe? Dann mache ich zum Beispiel eine spontane Fotosession mit einer Spinne, die sich in meine Wohnung verirrt hat. Das war ein Monsterviech! Aber es hat stillgehalten, immerhin für 24 Bilder. Was beweist: Selbst Monster sind eitel. Bitte klickt nur auf diesen Link, wenn ihr nicht empfindlich auf Spinnenbilder reagiert.

2.9.05

Schottland und der Goldschnitt einer edlen Romanausgabe

Da ich weiß, daß viele Journal-Leser direkt hierher surfen und nicht über meine Website, nochmal ein Hinweis auf den Beitrag in Deutschlandradio Kultur: Morgen (03.09.) zwischen 17.30 und 18.00 Uhr sendet DLR Kultur ein Interview mit mir zur "Brillenmacherin" im Rahmen der Sendung "Beispielsweise". Auf welcher Frequenz ihr den Sender bei euch hören könnt, erfahrt ihr hier.

Wer die "Brillenmacherin" noch nicht gelesen hat oder gerade dabei ist, kann sich mit mir und einer ganzen Runde von Lesenden bei Buechereule.de darüber unterhalten. Vor fünf Minuten habe ich dort einen Beitrag über das Entstehen des Romans gepostet.

Nach diesem Nachrichtenteil eine wunderbar literarische, traumhafte und doch wahrheitsgetreue Reieschilderung, die Carolin mailte. Sie beschreibt Schottland als Land,

wo man ständig rechts überholt wird, wo die Berge wie nackte Buckel schlafender Riesen umherliegen, wo sich die Wolken vor den Hügelkuppen zusammenrotten, um gemeinsam diese letzte Hürde zu nehmen. Wenn es anfängt zu regnen, wird die Luft ganz weiß vor Wasser. Man ist dort sehr nah am Himmel ... Wenn es neblig wird, wird alles einheitlich grau im Gegensatz zu hier, wo man meistens noch durch diverse Farbabstufungen erkennen kann, dass sich da mehrere Berge hintereinander verstecken. Wenn die Sonne ihre späten Strahlen über das Land wirft, verpasst sie der Weite im letzten Augenblick noch einen Goldschnitt wie einer edlen Romanausgabe. Und tatsächlich kann man die Landschaft lesen wie ein Buch. Manchmal ist es so leise, dass selbst meine eigenen, vorsichtigen Schritte zerstörerisch laut wirken. Und dann abends in einer Cottagescheune, vollgestopft mit schätzungsweise 1001 Büchern, Photographien und norwegischem Holzofen, Schaukel und Schallplatten, Kisten voll Krimskrams und und und, ein Konzert geben auf einem Flügel, der tot schien, jedoch nur darauf gewartet hatte, nach "einmal im Leben Schubert" selig zu entschlafen.

Habe keinen angelnden Schotten getroffen, nur einen vom Alter gekrümmten David, der zu meinen vom Blatt gespielten schottischen Country Dances die tollkühnsten Aufführungen wagte.


Sollte ich diese Mail für mich behalten? Manche Sachen muß man einfach teilen.