7.9.06

Wie man einen Roman plant


Gunnar Cynybulk, mein Lektor im Aufbau Verlag, hat heute dezent nach dem neuen historischen Roman gefragt, und da ich ihm schon lange ein ausführliches Exposé schulde, habe ich den Tag über am Exposé gefeilt. Einmal in Exposélaune, widme ich gleich diesen Eintrag im Inseltagebuch dem interessanten Thema: Wie konstruiert man eine spannende Romanhandlung?

Darüber würde ich am liebsten fünfzig Seiten schreiben. Aber ich lasse jetzt mal Cliffhanger, Suspense, Zeitdruck und so weiter beiseite, und konzentriere mich auf einen einfachen Satz: Things get worse.

Darf ich das am Beispiel der “Siedler von Vulgata” erklären? (Der Roman erscheint nächste Woche. Ihr müßt mir verzeihen, daß ich dauernd davon rede.)

Die erste Exposéfassung war mein Vorschlag an Robert Feldhoff vom Perry Rhodan-Team. Sie enthielt zwar die verzweifelte Lovestory zwischen Arrick und Murielle und die Grundzüge der seltsamen Siedlung Vulgata, noch nicht aber den existentiellen Konflikt mit den Galchinen, also den Außerirdischen.

Seine Antwort war ein ausgefeilteres, umfangreicheres Exposé, das die Außerirdischen hineinbrachte und den Konflikt für die Terraner: Retten wir unsere eigene Haut, oder retten wir die häßlichen Fremden? Es floß das erste Blut.

Für die dritte Fassung habe ich die Galchinen in zwei Lager geteilt und zusätzlich zu allen bestehenden Gefahren noch die Rebellion durch Aschuk hineingebracht, der ohne Rücksicht auf Verluste seine eigenen Pläne verfolgt. Weitere Opfer waren die unabwendbare Folge, unter den Galchinen und den Terranern.

Man könnte sagen, die Regel lautet: Beginne einfach, und dann verschlechtere mit jedem Überarbeitungsschritt die Lage für deine Protagonisten. Mache es komplizierter für sie, mache es immer unmöglicher, zur rettenden Lösung zu gelangen.

Warum das? Weil die Romanleser leiden möchten. Sie wollen von der ersten bis zur letzten Seite um Atem ringen. Dann erst dürfen die Stricke gelockert werden. Möglichst sollte ihnen das zum Schluß einen Seufzer der Erleichterung abringen.

That’s all.

Was habe ich unternommen, nachdem der Heftroman erschienen war, um einen Roman von Buchlänge daraus zu machen? Ich habe mir die Lage der Protagonisten am Ende des Heftromans angeschaut und überlegt: Was könnte jetzt schiefgehen? Was wäre das größte Desaster?

Klaus Frick hatte die Idee, daß die Galchinen eine Fabrik bauen könnten. Natürlich, sie bringen ihr eigenes technisches Wissen mit. Aber es durfte nicht einfach nur eine Fabrik sein. Ich dachte mir, sie müssen eine Fabrik bauen, und dabei müssen die Leser erfahren, wer die Galchinen wirklich sind. Manche Leser des Heftromans hatten geschrieben: Kann denn das gut gehen, Menschen und diese häßlichen Geschöpfe? Es kann nicht. Es geht nicht. Things get worse.

Erschreckt es euch, daß das Geschichtenerzählen so einfachen Regeln folgt? Letztenendes ist es kaum anders als das Leben selbst. Jeder von uns kennt das. Wir fällen Entscheidungen, oft schwierige, und arbeiten uns aus komplizierten, mißlichen Lagen wieder heraus. Das geht nicht ohne Schmerzen. Und genau darüber wollen die Romanleser etwas erfahren. Sie wollen die Protagonisten bis ins Herz hinein kennenlernen, indem sie beobachten, wie sie mit den Herausforderungen ihrer Geschichte umgehen. Mitunter können sie dabei etwas für sich lernen.

Es gibt natürlich auch Lebensphasen ohne komplizierte, mißliche Lagen. Zum Beispiel, wenn man Woche um Woche auf einer wunderschönen Insel verbringen darf, weil man von Außerirdischen und Menschen erzählt hat. Jippiejajeh!

Danke für die vielen, vielen Mails, in denen ihr mir gesagt habt, daß auf dem Foto von gestern Seepocken zu sehen sind. Ich staune, wie viele von euch am Meer aufgewachsen sind. Eine Geschichte hat mir besonders gefallen. Ich erzähle sie euch morgen, ja? (Voilá: ein Cliffhanger.)