8.9.06

Egon und die Seepocke

Hier die versprochene süße Geschichte. Katja hat sie gemailt.

Deine lustigen Kreaturen (die Du fotografiert hast) sind Seepocken. Und Seepocken gehören zu den Krebsen. Kannst Du Dir das vorstellen? Ich finde es schwer. Diese Dinger sehen gar nicht lebendig aus, und trotzdem sind sie es.

Vor einer Woche erst war ich mit einem Wattführer auf dem Ijsselmeer segeln. Eines Tages haben wir Krebse (solche, wie man sie sich vorstellt) gefangen. Wir haben ein Stück Schinken an eine Wäscheklammer geklemmt und sie an einem Band ins Wasser hinuntergelassen. Irgendwann hat sich ein Krebs festgebissen und wir haben ihn hochgezogen.


Egon (so haben wir unseren Krebs genannt) hatte leider das Pech, dass sich eine Seepocke genau auf sein Auge festgesetzt hatte. So war er dann nur noch einäugig... ein Piratenkrebs vielleicht ;-)

Unser Wattführer konnte uns echt einiges über diese Kreaturen erzählen. Ich hab nicht soo viel behalten, aber ein bisschen und das Wissen teile ich gern mit Dir (Darfst es nur nicht als superwissenschaftlich ansehen).

Seepocken sind also selber kleine Krebse. Als Larven suchen sie sich einen Ort aus, z.B. den Rücken eines Krebses (oder die Planken, wo Du sie gefunden hast) und setzten sich dort fest. Irgendwie entwickelt sie einen Kalkpanzer und verstecken sich in ihm. Statt Scheren besitzen sie so eine Art Fühler, die sie herausstrecken können, um das Wasser zu filtern und so Nährstoffe aufzunehmen.

Mir persönlich sind Seepocken unsympatisch. Ich finde sie gemein. Sie setzten sich einfach auf den Rücken eines anderen – ohne zu fragen. Aber vielleicht hatte ich auch nur Mitgefühl mit
Egon, der durch eine Seepocke ein Auge verloren hat.

Wobei ich dabei wahrscheinlich auch zu *menschlich* denke. Für die Seepocke ist es wohl eine Überlebensstrategie, sich hinzusetzten und einzupanzern. Was kümmert sie da das Auge eines Anderen?

Egon haben wir übrigens wieder frei gelassen :-)

Heute also ein Bild von Egon, dem Krebs. Wie findet ihr das Wort “Seepocke”? Ich find’s klasse. Miriam erzählte neulich von Raubmöwen. Auch ein schönes Wort. Es scheint im Zusammenhang mit dem Meer viele gute Wörter zu geben.

Birgit-Cathrin hat gefragt, was ich unter Cliffhangern genau verstehe. (Nein, ich kriege nicht nur Mails von Frauen.) Cliffhanger setze ich ein, damit sich die Leser abends im Bett sagen: Na gut, noch ein Kapitel. Das funktioniert folgendermaßen. Am Ende eines Kapitels lasse ich den Protagonisten so in eine Schlucht stürzen, daß er sich gerade noch mit drei Fingern an der Kante festhalten kann. Ergo der Name “Cliffhanger”. Da die Leser wissen wollen, wie er da wieder herauskommt, lesen sie weiter.

Nun können die Romanfiguren nicht an jedem Kapitelende über einer Schlucht hängen. Also lasse ich sie etwas entdecken, oder etwas Häßliches sagen, oder in eine Falle tappen. Die Regel ist jedenfalls, (fast) jedes Kapitel spannend aufzuhören. In der Mitte das Kapitels habe ich Zeit für feine Betrachtungen, hintergründige Dialoge und Weisheiten. Am Ende aber muß es zur Sache gehen, und es muß mindestens eine große Frage offen sein.

Früher haben Romane nicht so funktioniert. Wenn ihr die Klassiker lest, merkt ihr, daß es eher linear zugeht, und ruhig. Heute verwenden wir im Roman eine Technik aus dem Film. Wir brechen die Szene immer dann ab, wenn es am Spannendsten ist, und wenden uns einem anderen Erzählstrang zu. Guckt euch eure Lieblings-Fernsehserie an, da findet ihr das gleiche.

Eine kurze Bemerkung noch zu Egon: Ich freue mich über sein Bild. Schickt mir trotzdem bitte keine weiteren Fotos. Es ist sehr teuer, sie per GRPS herunterzuladen. Das bezahlt alles der Brendow Verlag. Es ist mir lieber, wenn er noch viele schöne Bücher macht, anstatt eine horrende Rechnung für Titus’ Insel-Internetzugang begleichen zu müssen. Also, save the books, don’t send pictures!