17.10.05

Bis sechs, zehn oder zwanzig

Was für ein spannender Tag. Ich habe geübt, an einer Kamera vorbei die Redakteurin anzuschauen. Dieselbe Frage kann ich jetzt viermal auf verschiedene Weise beantworten. ("Machen wir noch einen. Bitte etwas kürzer, und ohne daß du ... erwähnst.") Ich kann innerlich bis sechs, zehn oder zwanzig zählen, bevor ich eine bestimmte Bewegung vollführe, und wirke dabei hoffentlich so natürlich, als wäre es mir gerade erst eingefallen.

Am See haben wir gedreht, in der Stadt, an der Gänseweide. Die eitlen Gänse haben sich vor der Kamera in einem Drecksloch gebadet. Vielleicht halten sie das für filmwürdig? In der Stadt sind Passanten stehengeblieben; selbst die Autos wußten nicht immer recht, ob sie vorüberfahren durften.

Einen ganzen Tag Dreharbeiten für wenige Minuten Fernsehmaterial.

Dennoch hat die Sache Spaß gemacht. Bei den Dreharbeiten im Gewölbe unter der Burg haben Redakteurin, Kameramann, Tontechniker und Azubine gezaubert. Sie haben Schienen ausgelegt für einen Eisenwagen, den sie "Dolly" nannten. Auf diesem fuhr der Kameramann weich durch den Raum. Kerzen haben sie aufgestellt, Scheinwerfer auf die Säulen ausgerichtet, ein Schwert platziert, auf dem Funken wandern durften, und plötzlich, da hatte unsere Szene etwas zutiefst Mittelalterliches. Der Kameramann sprach immer öfter vom "Namen der Rose", und als ich mir die Aufnahme auf seinem kleinen Schwarz-Weiß-Bildschirm ansah, dachte ich: Er hat recht.

Wenn alles gut geht, kann ich euch mindestens diese Szene hier auf der Website zeigen, Ende November, wenn der Beitrag gesendet worden ist. Ich sage nochmal Bescheid, wo und wann man ihn sehen kann.

In einem Kellergewölbe aus dem 14. Jahrhundert, umgeben von Profis – da kann man nicht viel falsch machen. Trotzdem weiß ich: Ich tauge nicht zum Schauspieler. Wißt ihr, es ist mir schwer genug gefallen, vor der Kamera ich selbst zu sein. Unglaublich, daß man sich dafür anstrengen muß, sobald man sich beobachtet wähnt. Das wird der Treppeneffekt sein. Wollt ihr ihn ausprobieren? Geht mal eine Treppe hinunter und denkt dabei darüber nach, daß ihr gerade eine Treppe hinuntergeht.

Ich hafte nicht für die Folgen.