28.12.04

Kafka als Ungeziefer

Der Roman muß warten. Erst einmal ist die Prüfung Anfang Januar zu bewältigen. Aber Interessantes erfährt man beim Vorbereiten darauf doch. Zum Beispiel über Kafkas "Verwandlung". Viele hassen sie. Ich konnte die Geschichte schon immer gut leiden. Und nun las ich, daß Kafkas Vater ihn häufiger "Ungeziefer" nannte, weil ihn das Schreiben und die Künstlerfreunde seines Sohnes ärgerten. Franz Kafka hat das wohl wörtlich genommen und einmal durchgespielt: "Als Gregor Samsa eines Morgens aus unruhigen Träumen erwachte, fand er sich in seinem Bett zu einem ungeheueren Ungeziefer verwandelt. Er lag auf seinem panzerartig harten Rücken und sah, wenn er den Kopf ein wenig hob, seinen gewölbten, braunen, von bogenförmigen Versteifungen geteilten Bauch ..."

21.12.04

Der Wochenlohn eines Henkers

Über die Basler Glockenläuter, Torwächter, Fleischwäger, Zollschreiber, Totengräber gelesen. Wißt ihr, was ein Henker verdient hat im 14. Jahrhundert? Obwohl der Beruf verachtet war, konnte der Lohn sich sehen lassen. Basels Henker bekam 15 Silberpfennige Wochenlohn, dazu vier Fuder Holz im Jahr, Haus und Hof und deren Unterhalt. Die Bäcker hatten ihm Roggen zu liefern, und von der Stadt erhielt er als Zulagen:

2 Gulden für Vierteilen (dazu 80 Pfennige für das Führen und Aufrichten der Viertel),
1 Gulden für Rädern, Sieden, Pfählen oder Brennen,
1/2 Gulden für Enthaupten, Henken, Ertränken oder dafür, daß er einen Selbstmörder im Faß in den Rhein warf,
1/4 Gulden für Blenden, Ohren abschneiden, Hand abhauen oder Zunge abschneiden.

Brrrrrr. Gab es mal eine Woche nichts zu tun für ihn, stieg zur Entschädigung der Wochenlohn auf 40 Pfennige. Ob das häufig vorkam, konnte ich nicht herausfinden.

20.12.04

Herzlich willkommen!

Heute sind wir nur zu zweit oder zu dritt. Im Laufe der nächsten Wochen werden einige dazukommen. Ich will euch einladen, meine Arbeit als Geburtshelfer mitzuerleben. Wie werden Romane geboren?

Heute habe ich Fotos sortiert, die ich bei der Recherchereise in die Schweiz vergangene Woche aufgenommen hatte. Und winzige Zeilen von winzigen Zetteln in den Computer übertragen. Notizen aus Basel, wo der nächste Roman seine Heimat hat: "Möwen sitzen auf schwarzen Steinen am Ufer, weiße Tupfer, sehen aufs Wasser hinaus. Nur dann und wann lüpft eine den Flügel, wendet den Kopf." Oder: "Münster: Davidsstern-Fenster! (Judith) Gestiftet von der Zunft der Steinmetze."

Es sind in den vergangenen Wochen etwa 40 Seiten Material zusammengekommen: Details aus Büchern, winzige Zeilen von winzigen Zetteln, und der Kapitelplan bisher. Er reicht bis Kapitel zwölf.

Am Vormittag bin ich am Telefon mit meinem Lektor beim Aufbau-Verlag die Korrekturfahnen der "Brillenmacherin" durchgegangen. Dieser Roman ist also verabschiedet, auf in den Neuen! Nennen wir ihn "Basilea". "Basilea" erscheint im November 2005.

Bevor ich mich mit vollem Elan in die Geschichte hineinwerfen kann, muß ich noch ein paar Prüfungen absolvieren. Leider. Die meisten Bücher um mich herum handeln nicht von Basel, sondern von Expressionismus, Impressionismus, Symbolismus und einigen anderen -ismussen. Aber man macht das beste daraus: Eine der Zeilen, die ich für den neuen Roman von einem winzigen Zettel abschrieb, war aus einem expressionistischen Gedicht geklaut: "Schnitter sicheln auf den Feldern." Das finde ich genial. Laßt es euch auf der Zunge zergehen! Schnitter sicheln auf den Feldern.