27.8.06

Möwenjagd

Ich kenne Möwen als aufdringliche Vögel. Wirft man einer Möwe ein Stück Brot zu – sie schnappen es ja so schön in der Luft auf –, dann ist der Badetag gelaufen. Binnen kürzester Zeit ist man umschwärmt, umkreischt, belagert von weißen Vögeln, und es bleibt nichts, als die Handtücher zusammenzulegen und zu gehen. So habe ich das bisher erlebt.


Hier ist es anders. Die Möwen sind scheu. Ich wollte eine fotografieren, aber immer, wenn ich mich annäherte, trippelte sie weg und flog davon. Nächste Möwe. Nächste Möwe. Bis die Speicherkarte voll war. Da plötzlich wurde eine neugierig und kam näher. Toll. Ich merke mir fürs nächste Mal: Eine Weile in ihrer Umgebung herumstehen, dann fassen sie Vertrauen.

In keinem meiner Romane spielen Vögel eine so große Rolle wie in “Die Siedler von Vulgata”. Wie bin ich darauf gekommen? Eine alte Frau in meinem Dorf besitzt einen Kakadu. Dieser Vogel hat mich beeindruckt mit seinen Flügelstreckübungen, seinen dumpfen Augen und dem erstaunlich klugen Verhalten (der Widerspruch ist das Verblüffende!). So kam es zum Schakrakei. Daß der Vogel im zweiten, neuen Teil des Romans entscheidend zum Zuge kommt, liegt an einer Leserin. Frauke schrieb mir damals, ihr habe der Vogel am allerbesten gefallen am Roman. Das konnte ich kaum glauben. Im selben Moment kam mir eine Idee wie ein Elektroschock. Und die habe ich umgesetzt.

Soviel zur Wirkung von Leserbriefen. Beim “Kalligraphen” war es nicht anders. Ein Freund, dem ich das zur Hälfte fertige Manuskript zu lesen gab, sagte damals: “Ich bin gespannt, was hinter diesem seltsamen Wolfsjäger steckt.” Er sollte eigentlich in der Geschichte nie wieder auftauchen. Ich sagte: “Du wirst schon sehen.” So wurde aus dem Wolfsjäger eine wichtige Figur.