25.2.05

Verzeihen Sie, ...

Haltet ihr mich für mutig? Dann hört euch diese Geschichte an.

Ich wappne mich mit einer schönen blauen Mappe meiner Verlagsgruppe, drucke Pressezitate, Biographie und das Exposé der "Brillenmacherin" aus – vorher extra die Toner-Kartusche gewechselt, damit es piekfein aussieht – ziehe ein Hemd an, rasiere mich. Nach kurzer Fahrt betrete ich das Ziel: eine große Buchhandlung, in der ich gern aus der "Brillenmacherin" lesen würde.

Zuerst einmal die Lage sondieren. Hm, es ist ziemlich voll, die Buchhändler sind damit beschäftigt, Fragen zu beantworten, an der Kasse steht außerdem eine Schlange von Kunden. Also abwarten. Ich durchstöbere die historischen Romane, Namen vertrauter Kollegen lächeln mir entgegen, das beruhigt. "Die sieben Häupter" liegen auch aus. Gut.

Endlich eine Gelegenheit. Ich räuspere mich, sage: "Verzeihen Sie, ich habe eine etwas merkwürdige Frage."

Die Buchhändlerin lacht charmant. "Nur zu!"

Peinlich, jetzt den Rucksack zu öffnen. Ziehe die "Brillenmacherin" hervor. "Ich habe dieses Buch geschrieben und wollte fragen, ob Sie Lust hätten, eine Lesung mit mir zu machen."

Sie kneift die Augen zusammen, betrachtet das Cover. "Titus Müller ... Sie haben die Priestertochter geschrieben, richtig? Die habe ich gelesen, ich fand sie ausgezeichnet!"

Uff. Es läuft.

"Kommen Sie, der Kollege dort drüben ist dafür zuständig." Sie stellt mich ihm vor und verschwindet. Nun ist es Zeit, Argumente abzuspulen. Ich würde einen Musiker mitbringen, der eine böhmische Wanderharfe spielt. Der Buchhändler schweigt. Der Verlag stellt Plakate zur Verfügung. Der Buchhändler schweigt. Ich würde mich um einen Artikel in der örtlichen Zeitung kümmern. Der Buchhändler hustet ein knappes Ja.

Er sieht sehr ernst aus. Sein prüfender Blick verunsichert mich. Ich fange an zu stottern, die Wörter zu verdrehen, rede viel zu schnell. Unglaublich, daß mir das passiert. Denkt er jetzt, der Kerl könnte doch nicht vor fünfzig Leuten lesen, den wimmele ich besser ab? Wie kann er ahnen, daß ich Publikum genieße und sehr gern und flüssig vorlese! Ich komme mir vor wie ein Zehnjähriger bei der Prüfung am Reck, der umständlich die Hände mit Magnesium bestäubt, um Zeit zu gewinnen, weil er weiß, daß er gleich zum Gespött der Kameraden werden wird.

Wir gehen zum Computer, er tippt die ISBN ein. "Ja, das Buch haben wir bestellt. Ist schon mal positiv. Trotzdem kann ich Ihnen keine großen Hoffnungen machen." Nun kommen seine Argumente, weshalb es mit Lesungen schwer sei in der Stadt. Ich halte mit neuen Argumenten dagegen, er will meine Honorarwünsche wissen, ich sage eine Zahl, viel niedriger, als ich es wollte, ein Drittel dessen, was ich sonst bekomme. Reden wir weiter, wenn ich sehe, wie die Kunden auf das Buch reagieren, sagt er. Lassen Sie das Material erst mal hier.

Noch als ich eine knappe Stunde später in der Bibliothek sitze, habe ich ein flaues Gefühl im Bauch. Das müssen wir üben, junger Mann.

Inzwischen bin ich wieder zu Hause, und wißt ihr was? Eine E-Mail wartete auf mich von Monika Rettig, die für die Aufbau Verlagsgruppe Lesungen organisiert. Drei neue Lesungen für die "Brillenmacherin". Wie macht sie das bloß?

(Vielleicht ist der Trick, per Telefon zu arbeiten. So habe ich in der Vergangenheit mehrfach Lesungen organisiert, ohne mich zu fürchten.)