Ein Mensch, ein Wunder
Von heute zu schreiben, reizt mich nicht. Eine lange Zugfahrt, Geplauder in der Buchhandlung über Astrid Fritz: Die Tochter der Hexe. Versäumt, vom Nachbarn die Post der vergangenen Woche abzuholen. Jetzt ist es zehn, ich kann nicht mehr wagen, bei ihm zu klingeln.
Den gestrigen Tag zu erzählen, das lohnt sich eher. Mein letzter Berlin-Tag vor der Heimreise. Stellt euch Titus vor, wie er in der U-Bahn zur Bibliothek fährt, tief versunken in den Roman, aus der Ferne eine Stimme: "Die Fahrkarten zur Kontrolle bitte." Während er aus dem Roman hinaufdämmert, erinnert er sich, daß er nicht mehr immatrikuliert ist, also kein Semesterticket hat. Hat er am Bahnhof Z. heute morgen die Tageskarte gekauft wie geplant? Ein Griff in die Jackentaschen. Nein. Er war fröhlich gewesen, beobachtete die Menschen aus listigen, lachenden Augen, ließ sich die Sonne ins Gesicht scheinen. Der Kontrolleur ist heran. Er fordert vierzig Euro Strafgeld.
Titus ist so verwirrt, daß er das Mitleid der Mitreisenden erregt. "Hast du wirklich kein Semesterticket?" fragt eine junge Frau. "Wenn du es bloß vergessen hast, kostet es sieben Euro und nicht vierzig." Er schüttelt den Kopf, bezahlt. Und muß daran denken, daß er sich nebenher beim Frühstück ein Buch für 50 Euro bestellt hat, Terryl N. Kinder: Die Welt der Zisterzienser. Ein teurer Tag.
Am Nachmittag traf ich mich mit Michael Gaeb, meinem Agenten, wir planten, stritten, lachten. Die literarische Welt ist weniger bedrohlich, wenn man einen Freund hat, der einen auf der Reise begleitet.
Noch später: Treffen mit Freunden in einem Café. Das Stellt-euch-mal-vor-Spiel. (Stellt euch mal vor, einer ist so ordnungsbeflissen, daß er seinen Teller nach dem Essen in die Küche des Cafés bringt und ihn selber abspült. Und wenn er einmal dabei ist, spült er alles andere auch ab. Dann geht er zurück zu den Gästen, sammelt Jacken von den Stuhllehnen, hängt sie kopfschüttelnd auf, diese Leute, keine Ordnung ...)
Dann halb neun Wechsel in ein anderes Café zur Verabredung mit einem TV- und Hörfunkjournalisten. Das Gespräch hat mich weitergebracht wie selten eines. Bis Mitternacht saßen wir da. Der Journalist – mit seiner tiefen, beeindruckenden Stimme – warnte mich davor, den Neid zu füttern, und zeigte mir anhand von Beispielen aus seinem eigenen Leben, daß die Entscheidung für den raschen Erfolg nicht immer die richtige ist. Werde das nie vergessen.
Ein langes Posting heute. Könnt ihr noch? Für ein kurzes Zitat zum Schluß?
Brigitte Reimann: "Reden Sie keinen verdammten Quatsch von Sterben ... Sind Sie denn gar nicht neugierig? Auf das Wetter von morgen, auf die Post im Briefkasten – ein Brief, der alles verändert –, auf das, was hinter der nächsten Straßenecke ist, ein Mensch, ein Wunder ..." (Franziska Linkerhand, S. 184.)
Ein Mensch, ein Wunder. Bis morgen also!
Den gestrigen Tag zu erzählen, das lohnt sich eher. Mein letzter Berlin-Tag vor der Heimreise. Stellt euch Titus vor, wie er in der U-Bahn zur Bibliothek fährt, tief versunken in den Roman, aus der Ferne eine Stimme: "Die Fahrkarten zur Kontrolle bitte." Während er aus dem Roman hinaufdämmert, erinnert er sich, daß er nicht mehr immatrikuliert ist, also kein Semesterticket hat. Hat er am Bahnhof Z. heute morgen die Tageskarte gekauft wie geplant? Ein Griff in die Jackentaschen. Nein. Er war fröhlich gewesen, beobachtete die Menschen aus listigen, lachenden Augen, ließ sich die Sonne ins Gesicht scheinen. Der Kontrolleur ist heran. Er fordert vierzig Euro Strafgeld.
Titus ist so verwirrt, daß er das Mitleid der Mitreisenden erregt. "Hast du wirklich kein Semesterticket?" fragt eine junge Frau. "Wenn du es bloß vergessen hast, kostet es sieben Euro und nicht vierzig." Er schüttelt den Kopf, bezahlt. Und muß daran denken, daß er sich nebenher beim Frühstück ein Buch für 50 Euro bestellt hat, Terryl N. Kinder: Die Welt der Zisterzienser. Ein teurer Tag.
Am Nachmittag traf ich mich mit Michael Gaeb, meinem Agenten, wir planten, stritten, lachten. Die literarische Welt ist weniger bedrohlich, wenn man einen Freund hat, der einen auf der Reise begleitet.
Noch später: Treffen mit Freunden in einem Café. Das Stellt-euch-mal-vor-Spiel. (Stellt euch mal vor, einer ist so ordnungsbeflissen, daß er seinen Teller nach dem Essen in die Küche des Cafés bringt und ihn selber abspült. Und wenn er einmal dabei ist, spült er alles andere auch ab. Dann geht er zurück zu den Gästen, sammelt Jacken von den Stuhllehnen, hängt sie kopfschüttelnd auf, diese Leute, keine Ordnung ...)
Dann halb neun Wechsel in ein anderes Café zur Verabredung mit einem TV- und Hörfunkjournalisten. Das Gespräch hat mich weitergebracht wie selten eines. Bis Mitternacht saßen wir da. Der Journalist – mit seiner tiefen, beeindruckenden Stimme – warnte mich davor, den Neid zu füttern, und zeigte mir anhand von Beispielen aus seinem eigenen Leben, daß die Entscheidung für den raschen Erfolg nicht immer die richtige ist. Werde das nie vergessen.
Ein langes Posting heute. Könnt ihr noch? Für ein kurzes Zitat zum Schluß?
Brigitte Reimann: "Reden Sie keinen verdammten Quatsch von Sterben ... Sind Sie denn gar nicht neugierig? Auf das Wetter von morgen, auf die Post im Briefkasten – ein Brief, der alles verändert –, auf das, was hinter der nächsten Straßenecke ist, ein Mensch, ein Wunder ..." (Franziska Linkerhand, S. 184.)
Ein Mensch, ein Wunder. Bis morgen also!
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