18.2.05

Der Bäcker ist krank

Endlich habe ich begriffen, was die in den Stein gemeißelten Figuren an den Kirchen bedeuten, die Elefanten und Tiger, die Löwen und Affen. Selbst kleine Muster, Wirbel, Räder, Rosetten, Sterne, Halbmonde, Bäume, Weinranken verkünden etwas. Habe das Gefühl, hinter ein Geheimnis gekommen zu sein. Natürlich wird das in "Basilea" verarbeitet.

Ansonsten lese ich zur Zeit viel über Klöster und das Leben der Mönche dort. Ich kann es kaum erwarten, das Dazugelernte weiterzuerzählen. (In Romanform, versteht sich.) Wußtet ihr, daß die Mönche sich einer präzisen Zeichensprache bedienten, um sich trotz Schweigegebot zu verständigen? Sie haben sich sogar Witze erzählt auf diese Weise. In einem Buch fand ich erklärt, welche Zeichen notwendig waren, um zu sagen: "Der Bäcker ist krank. Der Prior sagt, du sollst helfen." Du meine Güte. Ich liebe solche Details! Hoffentlich kann ich für "Basilea" eine vollständige Liste der Zeichen auftreiben. In Clairvaux waren es 227, andernorts fast 600.

Was mir immer peinlicher wird, ist mein altes Notebook. Genauer: dessen Lüfter. Die Leute drehen sich im Lesesaal der Bibliothek nach mir um, wenn ich das Notebook anschalte. Ist eben von 2001, nicht von 2005. Mit den hauchdünnen, lautlosen Konkurrenten kann es nicht mithalten.

Es gibt keinen Grund für mich, ein neues Notebook zu kaufen. Der Akku ist in Ordnung, meine Software läuft (sogar die Spiele). Soll ich nur wegen des Lüfters, nur damit ich in der Bibliothek niemanden störe ...? Lust hätte ich ja.

Die Mittelalterklausur ist gut gelaufen. Ich sollte die Goldbulle zu Eger von 1213 analysieren. Hatte zwar eher auf die Konstitutionen von Melfi spekuliert oder den Konflikt mit der Lombardischen Liga, aber die Goldbulle war auch eine faire Aufgabe. Wenn Kaiser Friedrich II. damals geahnt hätte, daß einmal harmlose Geschichtsstudenten seine Urkunde untersuchen würden, um zu ergründen, was er gemeint haben könnte und in welchem Zusammenhang es steht – na, wie ich ihn einschätze, hätte er zufrieden gelächelt, mit einem Blick, der sagt: War doch klar, daß das für die Ewigkeit Bedeutung hat. Selbstbewußtsein hatte er. Wie es sich eben für einen Kaiser gehört.

Heute gab es – neben den Bibliothekserfahrungen – noch ein gutes Radiointerview. Nicht das Interview selbst war so schön. Ich hätte mich besser vorbereiten sollen, ehrlich. Nein, der Genuß war das Gespräch danach. Sicher eine Stunde saß ich noch mit dem Journalisten vor den (ausgeschalteten) Mikros, und wir haben geplaudert: Über seinen Beruf, über meinen Beruf, über Leute, die er kennt und die ich auch kenne, über das Ehrlichsein und das schlechte Gewissen, wenn man etwas für die Karriere tut. Er wollte mir nicht glauben, daß ich öfter so nette Journalisten treffe wie ihn. Scheint ein hartes Feld zu sein. Bin ich froh, daß ich "nur" Romane schreiben muß!